Angesichts eines Blizzards von möglicherweise historischem Ausmass haben sechs Bundesstaaten im Nordosten der USA den Notstand ausgerufen. In New York versetzte Gouverneur Andrew Cuomo die Nationalgarde in Einsatzbereitschaft und rief die Bevölkerung auf, ihre Häuser ab dem Abend nicht mehr zu verlassen.
«Es könnte eine Frage von Leben und Tod sein, und das ist nicht übertrieben dramatisch», sagte Cuomo während einer Pressekonferenz. Der Gouverneur von Connecticut, Dan Malloy, erliess für seinen Bundesstaat ein Fahrverbot, während der Bürgermeister Bostons die Bevölkerung bat, gut aufeinander aufzupassen. «Denken Sie daran, bei Ihren Nachbarn nach dem Rechten zu sehen, vor allem bei den Alten und den Behinderten.»
Unterdessen tätigten zahlreiche Amerikaner in den betroffenen Gebieten Hamsterkäufe, um für die kommenden Tage ausgerüstet zu sein. «Einige besorgte Bürger haben Hamsterkäufe getätigt, so dass das Wasser in einigen Läden ausverkauft war», berichtet der in Manhattan lebende Schweizer Fabian Kuster.
Mehr als 50 Millionen potentiell Betroffene
Seit Montagfrüh fielen die Schneeflocken im US-Nordosten, die volle Wucht des Wintersturms «Juno» soll den Landstrich dann in der Nacht auf heute treffen. Die Blizzard-Warnung des Nationalen Wetterdienstes der USA galt entlang der Ostküste von New Jersey bis hoch an die kanadische Grenze im Bundesstaat Maine.
Die Ausläufer des Sturms sollen noch südlich der Hauptstadt Washington und bis nach Ohio im Mittleren Westen spürbar sein. Das Unwetter könnte Schätzungen zufolge mehr als 50 Millionen Menschen treffen. Laut Spiegel würden sich zur Zeit über 60 Millionen Amerikaner einbunkern.
«Juno» wird bereits als Jahrhundertsturm bezeichnet.
Meteorologen rechneten damit, dass «Juno» gebietsweise rund einen Meter Neuschnee bringen werde. Der New Yorker Bürgermeister Bill de Blasio erwartete sogar bis zu 90 Zentimeter Schnee und warnte vor «einem der schlimmsten Schneestürme» in der Geschichte der Ostküstenmetropole.
Abstimmungen verschoben
Pendler verliessen ihre Büros in der Millionenstadt am Montag frühzeitig, ab 23 Uhr galt gestern Abend auch für New Yorks Strassen ein Fahrverbot für Privatfahrzeuge. Das fahrverbot wurde heute wieder aufgehoben. Der öffentliche Verkehr funktioniert nur noch sehr eingeschränkt, die Metro sowie viele Busse fallen aus – obwohl einige extra mit Schneeketten ausgestattet wurden. Via Handy sind die Bürger vor dem ÖV-Stopp gewarnt worden.
Angesichts der schwierigen Strassenverhältnisse hat das Repräsentantenhaus mehrere Abstimmungen zum Thema Menschenhandel vertagt. Zu viele Abgeordnete hätten nicht vor Ort sein können. In Boston musste der Prozess gegen Dschochar Zarnajew, einen der beiden Attentäter auf den Bostoner Marathon, ebenfalls zwischenzeitlich ausgesetzt werden, weil die Kandidaten für die Jury nicht zum Gericht reisen können. Zudem dürfen sich viele Kinder in den betroffenen Bundesstaaten heute über einen schulfreien Tag freuen.
Auch der Sitz der Vereinten Nationen in New York bleibt wegen des extremen Winterwetters geschlossen. Eine geplante UNO-Gedenkveranstaltung zur Befreiung des einstigen Nazi-Konzentrations- und Vernichtungslagers vor 70 Jahren wurde abgesagt. Auf Twitter veröffentlichte die UNO ein kurzes Video, das zeigt, mit welcher Stärke die Windböen durch die Stadt fegen.
Tausende Flüge gestrichen
Die starken Winde in höheren Lagen hatten zur Folge, dass gestern und heute rund 3000 Flüge gestrichen wurden. Der Flugverkehr an den Flughäfen von New York und Boston kam weitgehend zum Erliegen.
Auch die Swiss stellte kurzfristig ihre Flüge zwischen Genf beziehungsweise Zürich und den US-Ostküsten-Destinationen New York, Newark und Boston ein. Betroffen waren gestern sechs Flüge, heute voraussichtlich deren vier (Blick.ch berichtete). Derzeit sei geplant, die Flugoperationen am Mittwoch wieder aufzunehmen, teilte Swiss-Sprecherin Karin Müller mit.
«Wir amüsieren uns, wie sich die Welt um uns sorgt»
Die New Yorker nehmen den Blizzard und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten mehrheitlich gelassen. «Wir amüsieren uns ein wenig, wie sich die Welt um uns sorgt», erzählt der Schweizer Fabian Kuster, der seit zwei Jahren in Manhatten lebt und als Consultant arbeitet.
Man wisse seit dem letzten Winter, dass jedes Jahr solch stürmische Tage bereithalte, und sei vorsichtig. Die sonst so vollgestopften Strassen heute ungewöhnlich leer geblieben, Musicals und Basketballspiele abgeblasen worden.
«Aber die Leute wissen, dass der Sturm vorübergehen wird.» Schon in ein paar Tagen werde dann «der Super Bowl wieder das meistdiskutierte Thema» der Stadt sein.
Auch Twitter-User machen sich nicht allzu sehr Sorgen. «Es sind nur zwei Fuss Schnee, nicht der Weltuntergang», schreibt einer. (SDA/lha/ct)