Premier plant Regierungsumbildung
Die britischen Zeitungen sprechen von einem «Valentinstag-Massaker» - Johnsons angekündigte Kabinettsumbildung nach dem Brexit wird mit Spannung erwartet. Welche Köpfe künftig am Kabinettstisch und in den Beratergremien sitzen, wird den Regierungskurs und damit auch die Brexit-Verhandlungen entscheidend beeinflussen. Form und Zuschnitt des künftigen Kabinetts sind allerdings noch nicht beschlossen.
«Johnson will eine schlanke und effektive Regierung», sagt der Ökonom Iain Begg von der London School of Economics (LSE). Als gesichert gilt bereits, dass das Brexit-Ministerium wegfallen wird. Seine Aufgaben sollen von anderen Ministerien übernommen werden.
Hinzukommen könnte Begg zufolge hingegen eine Art «Nordengland»-Ministerium, das sich um die zurückgebliebenen Landstriche kümmert, die Johnson bei der Wahl Mitte Dezember seine überwältigende Regierungsmehrheit bescherten.
Auch in den unteren Ebenen der Ministerien sind Umwälzungen wahrscheinlich. Johnson hat einen schlechten Stand bei den Ministerialbeamten, denen er wiederholt vorgeworfen hatte, den Brexit zu torpedieren. Sein wichtigster Berater Dominic Cummings hatte Anfang Januar in einem Blogbeitrag «Weirdos and Misfits» («Verrückte und Aussenseiter») aufgerufen, sich auf Regierungsjobs zu bewerben. Sie sollen die Regierung kreativer und effizienter machen.
Wohin fliesst künftig das Geld?
Mit grosser Spannung wird ebenfalls der erste Staatshaushalt nach dem Brexit am 11. März erwartet. Dann wird sich zeigen, wie Johnson seine vielen Wahlversprechen finanzieren will. Dazu gehört etwa die «grösste Ausgabensteigerung der modernen Geschichte» für den steuerfinanzierten Gesundheitsdienst NHS sowie 20'000 neue Polizisten.
Dazu gehören auch teure Infrastrukturprojekte wie die Hochgeschwindigkeits-Bahnverbindung High Speed 2 von London in den Norden des Landes, die dutzende Milliarden Pfund verschlingen würden. «Wohnungsbau wird auch ganz oben auf der Agenda stehen», glaubt Begg. Da hingen die Briten der Bevölkerungsentwicklung hinterher. Auch der Kampf gegen den Klimawandel sei ein wichtiges Thema.
Konflikte könnte es seiner Einschätzung zufolge bei Kürzungen beim britischen Militär geben, das dank Flugzeugträgern und Nuklearwaffen zu den schlagkräftigsten - aber auch zu den teuersten - in ganz Europa gehört.
Die prophezeiten Ausgabensteigerungen stehen allerdings unter keinem guten Stern, da sich die Weltwirtschaft eintrübt und die britischen Unternehmen wegen der noch unklaren künftigen Wirtschaftsbeziehungen zur EU erneut vor unsicheren Zeiten stehen. Unklar ist zudem, wo die Johnson-Regierung dringend benötigte Fachkräfte wie Bauarbeiter und Pfleger finden will, wenn sie die Freizügigkeit aus der EU wie geplant durch ein Punktesystem nach australischem Vorbild ersetzen will.
«Ich glaube nicht, dass die Änderungen insgesamt so dramatisch werden», sagt Begg. «Das erste Jahr einer Regierung ist traditionell das, in dem die Regierung viele ihrer Wahlversprechen wieder zurücknimmt.» Ausserdem werde der konservative Finanzminister Sajid Javid gegen Steuererhöhungen und neue Schulden ankämpfen.
Wie entwickeln sich die aussenpolitische Beziehungen?
Helfen könnte ein Freihandelsabkommen mit dem engen Verbündeten USA. Dieses könnte bereits bis zum Jahresende stehen, hatte der US-Finanzminister Steven Mnuchin auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos gesagt.
Allerdings hatte Mnuchin erst am Vortag mit Strafzöllen auf britische Autos gedroht, sollte Johnson nicht Abstand von seinen Steuerplänen für grosse Digitalkonzerne wie Amazon oder Google nehmen. Es könnten also harte Verhandlungen werden, die Johnsons Position in aussenpolitischen Fragen wie dem Iran oder Huawei beeinflussen könnten. «Johnson bemüht sich allerdings sehr darum, nicht wie US-Präsident Donald Trumps Schosshündchen zu wirken», sagt Begg. (SDA)
Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seitdem findet ein langwieriger Prozess der Kompromissfindung zwischen britischer Politik und der EU statt. Am 31. Januar 2020 treten die Briten offiziell aus der EU aus. Behalten Sie den Überblick im Brexit-Chaos mit dem Newsticker von Blick.ch.
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