Nach dem Brexit
Johnson will in Verhandlungen mit der EU eine harte Linie verfolgen

Vor Gesprächen über die künftigen Beziehungen zwischen der EU und Grossbritannien scheint die Kluft zwischen beiden Seiten grösser zu werden.
Publiziert: 03.02.2020 um 04:46 Uhr
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Aktualisiert: 04.02.2020 um 10:53 Uhr
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Der britische Premierminister Boris Johnson will sich auf keinen Fall vertraglich auf die Einhaltung von EU-Standards bei Umweltschutz, Arbeitnehmerrechten und staatlichen Wirtschaftshilfen festlegen lassen. (Archivbild)
Foto: Stefan Rousseau

Der britische Premier Boris Johnson drohte mit einem harten Bruch nach der Brexit-Übergangsphase Ende dieses Jahres. Auch EU-Chefunterhändler Michel Barnier schloss ein solches Szenario nicht aus.

Grossbritannien hatte die EU am 31. Januar um Mitternacht (MEZ) verlassen. Nun geht es darum, eine künftige Partnerschaft beim Handel, aber auch beim Fischfang, in der Sicherheitspolitik, beim Datenschutz und vielen anderen Feldern zu schmieden. Die Ansagen beider Seiten am Montag waren jedoch kühl oder sogar kampfeslustig.

Johnson verspricht profitables Handelsabkommen ohne EU-Zwänge

Johnson sagte in London, er wolle einen umfassenden Freihandelsvertrag ähnlich dem der EU mit Kanada schliessen. Grossbritannien werde sich bei den anstehenden Gesprächen mit Brüssel aber auf keinen Fall vertraglich auf die Einhaltung von EU-Standards bei Umweltschutz, Arbeitnehmerrechten und staatlichen Beihilfen festlegen lassen.

Es gebe für Grossbritannien genauso wenig Grund, wegen eines Freihandelsabkommens die Regeln der EU in Kauf zu nehmen wie andersherum, sagte Johnson. «Grossbritannien wird die höchsten Standards in diesen Bereichen beibehalten, besser in vielerlei Hinsicht als die der EU - ohne den Zwang eines Vertrags, und es ist elementar, das jetzt zu betonen.»

Die Fischerei ist ein empfindlicher Punkt

Ausserdem werde sein Land die Kontrolle über die eigenen Fischereigewässer übernehmen. Ein Abkommen darüber müsse sicherstellen, dass britische Gewässer «zuvorderst» britischen Booten vorbehalten seien. Der Zugang für EU-Fischer werde jährlich auf Basis wissenschaftlicher Daten ausgehandelt.

Erwartungen der EU an Grossbritannien

Genau die beiden von Johnson genannten Punkte - gleiche Wettbewerbsbedingungen und die Fischerei - sind auch für die EU von zentraler Bedeutung, wie Unterhändler Barnier unterstrich. Britische Zusagen in beiden Punkten seien Voraussetzung für das gewünschte sehr ehrgeizige Freihandelsabkommen.

Der Zugang für britische Waren und Dienstleistungen zum EU-Binnenmarkt werde davon abhängen, wie eng sich Grossbritannien künftig an EU-Regeln und Standards halte. Grossbritannien habe sich bereits in der im Herbst vereinbarten Politischen Erklärung zu fairen Wettbewerbsbedingungen bekannt, betonte Barnier. Die Forderungen der EU seien also für niemanden eine Überraschung.

Er stellte klar, dass es nicht um Angleichung an EU-Regeln gehe, sondern «um das Managen der Abweichung». Im Entwurf für die Verhandlungslinie, die Barnier am Montag vorlegte, ist die Rede von «robusten Verpflichtungen» zu gleichen Wettbewerbsbedingungen, dem sogenannten Level Playing Field.

Kein «Business as usual»

Barnier forderte die Wirtschaft auf, sich schon jetzt auf die unausweichlichen Änderungen zum Jahreswechsel einzustellen. Auch das beste Freihandelsabkommen sei nicht mit den bisherigen Wirtschaftsbeziehungen im gemeinsamen Markt vergleichbar. Es gebe kein «Business as usual».

Warenkontrollen seien angesichts unterschiedlicher Regeln unvermeidlich. Das seien «die mechanischen Konsequenzen der Bedingungen, die Grossbritannien gewählt hat».

Nach dem Brexit hat sich praktisch noch fast nichts geändert, weil innerhalb einer Übergangsfrist alle EU-Regeln im Vereinigten Königreich weiter gelten. Erst am 31. Dezember ist es damit vorbei. Bis dahin müssen die wichtigsten Fragen vertraglich geregelt sein, sonst kommt es doch noch zu einem harten Bruch.

Johnson schliesst harten Bruch nicht aus

Johnson gab sich angesichts dieser Aussicht unbeeindruckt. In der prachtvollen barocken Painted Hall im Royal Naval College im Stadtteil Greenwich beschrieb er in schillernden Farben die Zukunft seines Landes ausserhalb der EU.

Grossbritannien werde auf der ganzen Welt mit potenziellen Handelspartnern wie den USA, Australien, Neuseeland und Japan in Verhandlungen treten. «Wir kehren nach Jahrzehnten des Winterschlafs als Vorkämpfer des weltweiten Freihandels zurück», schwärmte er.

(SDA)

Brexit-News

Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seitdem findet ein langwieriger Prozess der Kompromissfindung zwischen britischer Politik und der EU statt. Am 31. Januar 2020 treten die Briten offiziell aus der EU aus. Behalten Sie den Überblick im Brexit-Chaos mit dem Newsticker von Blick.ch.

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