Mittagspause an einer Hamburger Fachhochschule. In einem Monat ist Bundestagswahl, wird in Deutschland ein neues Parlament gewählt. Und trotz der Semesterferien ist eine Gruppe angehender Journalisten zu einer Diskussion darüber zusammengekommen, ob die klassische politische Berichterstattung in Zeiten des Internets überhaupt noch relevant ist.
Die Frage ist wichtig. Fast neuneinhalb Millionen Deutsche unter 30 Jahren dürfen am 24. September an die Urne gehen. Dann werden sie ein Wort über die künftige inhaltliche Ausrichtung der Berliner Politik mitzureden haben.
Aber was bewegt diese Wählergruppe, die sich hauptsächlich über Facebook, Snapchat und Twitter informiert? Die dem Parteiensystem genauso wenig vertraut wie dem Topmanagement von Banken und Grosskonzernen? Der die komplizierten Rituale demokratischer Mehrheitsfindung schon allein des Zeitaufwands wegen suspekt sind?
Alles ebenso berechtigte wie altbekannte Fragen. Gestellt immer von denen, die in der eigenen Jugend gegen die Eltern Sturm liefen. Und die nicht zugeben wollen, dass sie selbst dem rasanten Wandel der Gesellschaft kaum noch folgen können. Und die die ihnen so fremde Generation Y deshalb gern pauschal aburteilen: als konsumorientiert, vergnügungssüchtig – und vor allem unpolitisch!
Verdutzte Merkel
Aber in Wahlkampfzeiten muss die Politik den Dialog zumindest versuchen. Deshalb schicken die Spindoctors die Kanzlerin etwa zur Eröffnung der «Gamescom», des in Europa grössten Treffens der Videospiel-Community. Oder sie laden vier junge Youtube-Influencer zum Gespräch ins Kanzleramt. Und wenn dann die 21-jährige Beauty-«Beeinflusserin» Ischtar Isik gesteht, gerade ihr allererstes Interview überhaupt geführt zu haben, versteht Angela Merkel die Welt nicht mehr: «Und sonst machen Sie immer nur Selbstdarstellung?»
Alles wahr – und doch so falsch.
Denn grosse Teile der Generation Y sind nicht un-, sondern anders politisch. Statt sich in Grundsatzdebatten zu verlieren, sind sie plötzlich da, wenn sie gebraucht werden. Wie bei der Flüchtlingskrise vor zwei Jahren, als sie Merkels Satz «Wir schaffen das!» einfach umsetzten: Kleiderkammern, Kinderbetreuung, Hilfe bei Behördengängen und, und, und. Über Nacht waren die jungen Deutschen mobilisiert – und sind es bis heute.
Ähnlich engagieren sie sich auch für den Umweltschutz oder verstärkt auch wieder für die Menschenrechte. Ausserhalb verkrusteter Strukturen, gerne in Ad-hoc-Interessengemeinschaften. Lieber im kleinen Umfeld des eigenen Quartiers als auf nationaler Ebene. Dafür aber, das wollen die Trendforscher entdeckt haben, immer intensiver.
Demokratie von unten – Brexit, Sinnkrise der Europäischen Union, Donald Trump und Erdogan sei Dank!
Parteiarbeit mag ihnen zu mühsam, der Wahlkampf zum Gähnen sein. Aber Demokratie ist kein Selbstläufer. Freiheitsrechte und eigene Interessen müssen verteidigt werden. Wären mehr junge Briten und Amerikaner zur Wahl gegangen, hätten Brexit und der Trumpel-Präsident im Weissen Haus wohl vermieden werden können.
Wie viele gehen wählen?
Die Europabegeisterung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron war ansteckend. Überall in Deutschland sind informelle Gruppen entstanden. Das Motto von «Demokratie in Bewegung» ist eigentlich eine politische Binsenweisheit: Wer nicht wählt, wird nicht gehört.
Die Einladungen werden über Facebook und Twitter verschickt. Diskutiert wird dann ganz altmodisch – bei Bier und Würstchen im direkten Gespräch.
Jetzt gilt die Wette: Was macht die Generation Y am 24. September?
Bei der letzten Bundestagswahl machten nur 60 Prozent der Generation Y von ihrem Stimmrecht Gebrauch.