Gelten als loyal und gut ausgebildete Truppe – mit rudimentärer Ausrüstung
Was haben die nordkoreanischen Spezialeinheiten Putin zu bieten?

Nordkorea soll bereits 1500 Soldaten nach Russland geschickt haben, weitere sollen folgen. Bei diesen handelt es sich laut südkoreanischem Geheimdienst um Spezialeinheiten. Welche Rolle diese an der Front spielen könnten, ist mehr als ungewiss.
Publiziert: 21.10.2024 um 15:12 Uhr
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Aktualisiert: 22.10.2024 um 15:55 Uhr
Nordkorea soll bereits 1500 Soldaten nach Russland geschickt haben, weitere sollen folgen.
Foto: X/@StratcomCentre
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Auf einen Blick

  • Nordkorea soll bereits 1500 Soldaten nach Russland verlegt haben
  • Nordkoreanische Spezialkräfte gelten als loyal und gut ausgebildet. Ihre Ausrüstung sei jedoch rudimentär
  • Die Spezialkräfte umfassen 200'000 Mann, was ungewöhnlich gross ist
  • Chinas Einfluss könnte die Entsendung weiterer Truppen verhindern
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Cédric HengyRedaktor News

Seit Tagen schon warnt der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (46) davor, dass schon bald rund 10'000 Soldaten aus Nordkorea den russischen Truppen auf dem Schlachtfeld assistieren könnten.

In einem Video, das die ukrainische Regierung auf X gepostet hat, sollen nordkoreanische Soldaten zu sehen sein, die sich Ausrüstungsmaterial bei einer Ausgabestelle in Russland schnappen. Gemäss dem südkoreanischen Geheimdienst NIS soll Nordkorea bereits 1500 Soldaten nach Russland verlegt haben. Die Nato prüft nun entsprechende Berichte über die Entsendung nordkoreanischer Truppen.

Von russischer und nordkoreanischer Seite wird die Causa wenig überraschend totgeschwiegen. Doch bei all der Geheimniskrämerei stellt sich trotzdem die Frage, was das denn eigentlich für Truppenverbände sind, die jüngst nach Russland verfrachtet worden sein sollen.

Loyale Truppe mit rudimentärer Ausstattung

Laut dem NIS handelt es sich bei diesen nämlich nicht um «gewöhnliche» Soldaten. Viel mehr seien sie aus den 200'000 Mann starken Reihen der heimischen Spezialkräfte abkommandiert worden. Darüber, welche Rolle die nicht-russischsprachigen Spezialeinheiten an der Ostfront der Ukraine, wo sich ein Zermürbungskrieg entwickelt hat, spielen könnten, rankt sich ausser Gerüchten und Spekulationen nichts Konkretes.

Die wenigen Erkenntnisse, die bisher über Kim Jong Uns (40) Spezialtruppe gesammelt werden konnten, lauten gemäss einem Bericht des US-Militärgeheimdienstes aus dem Jahr 2021 folgendermassen: Sie gelten als loyal und gut ausgebildet und mit der besten Ausrüstung ausgestattet, die einem Pariastaat wie Nordkorea zur Verfügung steht, darunter auch chemische und biologische Kampfstoffe.

Gleichzeitig streicht der Bericht aber auch hervor, dass «verglichen mit der Ausrüstung anderer Spezialeinheiten weltweit, die Ausrüstung Nordkoreas rudimentär ist.» Ihre primäre Aufgabe in der Heimat sei es, die südkoreanischen Verteidigungsmechanismen- und Strategien auszukundschaften. Nun scheint also auch der russische Präsident Putin (72) ihre Dienste in Anspruch zu nehmen.

Grösse von 200'000 Mann scheint ungewöhnlich

Maxwell Goldstein, Analyst des Londoner Geheimdienstberatungsunternehmens Grey Dynamics, zufolge, verfügen die nordkoreanischen Spezialkräfte über zwölf leichte Infanteriebrigaden, drei Aufklärungseinheiten für Operationen hinter den feindlichen Linien, drei Luftlandedivisionen und drei allgemeine Scharfschützeneinheiten sowie über Scharfschützenbrigaden der Luft- und Seestreitkräfte.

Die geschätzte Grösse von 200'000 Mann ist im Vergleich zu anderen Spezialeinheiten jedoch ungewöhnlich. Der britische Special Air Service (SAS) soll zu jedem Zeitpunkt nur 500 aktive Soldaten haben, während die US-Delta Force etwa 2000 aktive Mitglieder hat.

Ebenfalls ist, anders als beim SAS oder anderen Spezialkräften, fast nichts über die Aktivitäten des nordkoreanischen Pendants bekannt. Einige seiner Soldaten sollen laut dem «Telegraph» 2017 an einer öffentlichen Veranstaltung teilgenommen haben, bei der sie in Formation Seite an Seite mit Soldaten der regulären Armee marschierten.

Auf Bildern, die das nordkoreanische Staatsfernsehen ausstrahlte, waren die Spezialkräfte in schwarzer Tarnfarbe und mit dunklen Sonnenbrillen zu sehen. In mehreren Nachrichtenberichten wurde damals auf eine deutliche Ähnlichkeit mit den Uniformen der südkoreanischen Spezialeinheiten – den sogenannten Black Berets – hingewiesen, was darauf schliessen lässt, dass sie seinerzeit um 1968 möglicherweise direkt nach deren Vorbild entworfen wurden.

«Im Vergleich zu China hat Russland Nordkorea sehr wenig zu bieten»

Unter anderem Professorin Hazel Smith, eine führende britische Expertin für Nordkorea an der SOAS University, mahnen jedoch zur Vorsicht angesichts der Behauptung Seouls, dass Spezialkräfte in die Ukraine entsandt wurden. «Es ist sehr schwierig, die Gültigkeit der südkoreanischen Geheimdiensterklärung festzustellen», sagt sie gegenüber dem «Telegraph».

«Wenn es Soldaten gibt, handelt es sich wahrscheinlich nur deshalb um Spezialeinsatzkräfte, weil Nordkorea es sich nicht leisten kann, Wehrpflichtige zu schicken, da es diesen nicht vertraut. Deren Priorität wäre es, zu desertieren oder unterzutauchen. Spezialeinsatzkräfte gelten als loyaler gegenüber der nordkoreanischen Regierung.»

Das sieht auch der Historiker Ian Garner so. Zumindest, wenn es um die weitere Entsendung von nordkoreanischen Truppen geht. Ein Player habe da nämlich noch ein Wörtchen mitzureden, ist er überzeugt. China, das Nordkorea als Pufferzone zwischen sich und dem mit den USA verbündeten Südkorea betrachtet, widersetze sich seit jeher allen Entscheidungen Pjöngjangs, die als riskant oder destabilisierend für die chinesische Aussenpolitik, insbesondere die Handelsbeziehungen mit dem Westen, erachtet würden, so Garner zum «Telegraph».

«Im Vergleich zu China hat Russland Nordkorea sehr wenig zu bieten. Wenn Peking also den Plan bremst, werden diese Truppen möglicherweise nie an der Front eintreffen.»

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