Das blutige Ende der Geiselnahme in Sydney wirft Fragen zur Verhandlungstaktik der Polizei mit dem Geiselnehmer Man Haron Monis (†50) auf. Hätte der Tod zweier Geiseln möglicherweise verhindert werden können?
Dem Geiselnehmer soll keine Plattform geboten werden
Der Australier Patrick Van Grinsven, während 12 Jahren Spezialist für Anti-Terror-Verhandlungen, erklärt das Vorgehen der Einsatzkräfte im «Daily Telegraph»: «Die Verhandlungen sind ein Geben und Nehmen, so soll Vertrauen aufgebaut werden.» Ob das auch in diesem Fall gelungen ist, bezweifelt Van Grinsven, denn Monis stellte kaum nennenswerte Forderungen.
Ein Wunsch von Monis war aber offenbar, eine IS-Flagge zu erhalten. Dass die Einsatzkräfte dieser Forderung nicht nachkommen wollten, ist für Van Grinsven nur verständlich: «Mit der Fahne hätte er ein sehr dramatisches Zeichen an die Welt aussenden können.» Diese Plattform wolle man keinem Geiselnehmer bieten.
Auch das geforderte Gespräch mit Australien-Premier Abbott wäre ein Präzedenzfall gewesen. «Andere Regierungen hätten das nicht akzeptiert.» Ausserdem hatte die Polizei Angst, Monis könnte den Moment für eine öffentliche Geisel-Hinrichtung nutzen.
Zeitgewinnung für Spezialeinheiten
Der Experte vermutet deshalb, dass der Kontakt zum Geiselnehmer vor allem der Zeitgewinnung für die Spezialeinheiten gedient habe, die möglicherweise ein Einschreiten bei Nacht geplant hatte. Schliesslich musste Monis irgendwann auch schlafen.
Nachdem aus dem Café plötzlich Schüsse zu hören waren, musste sich die Polizei von diesem Plan aber wohl verabschieden und sofort gewaltsam einschreiten. (cat)