Video zeigt grosses Polizeiaufgebot
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Einsatz mittlerweile beendet:Aufnahmen zeigen Polizei-Grossaufgebot am Flughafen Hamburg

Kind (4) nach mehr als 18 Stunden befreit
Geiselnahme am Hamburger Flughafen beendet

Samstagnacht durchbricht ein Mann eine Schranke zum Rollfeld des Hamburger Flughafens. Es fallen Schüsse. Der Mann hält seine vierjährige Tochter als Geisel. Am Sonntagnachmittag schliesslich Entwarnung. Der Vater wird festgenommen, das Kind befreit.
Publiziert: 04.11.2023 um 21:22 Uhr
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Aktualisiert: 05.11.2023 um 20:10 Uhr
Grosseinsatz von Sicherheitskräften am Hamburger Flughafen.
Foto: imago/Andre Lenthe
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Dramatische Szenen am Hamburger Flughafen: Ein bewaffneter Mann durchbricht nach Angaben der Bundespolizei am Samstagabend gegen 20 Uhr mit einem Auto ein Tor, fährt auf das Vorfeld des Flughafens, schiesst in die Luft und wirft «eine Art Molotowcocktails» aus dem Wagen. Der Mann hat seine vierjährige Tochter mit im Auto – vorausgegangen war laut Polizei offenbar ein Sorgerechtsstreit mit der Mutter.

Bevor er sich auf dem Flughafengelände verbarrikadierte, soll der Mann laut «Bild» die Mutter des Kindes ausgetrickst haben. Er habe sich demnach mit einer falschen E-Mail-Adresse als Interessent für ein Online-Inserat ausgegeben, damit sie ihm die Tür öffnete. Dann soll er die Tochter gegriffen und ins Auto gesetzt haben um Richtung Flughafen zu fliehen. 

Man gehe davon aus, dass der Vater der Mutter das Kind «weggenommen» und möglicherweise unter Gewalteinwirkung ins Auto gesetzt habe, bevor er nach Hamburg und dort auf das Rollfeld des Flughafens fuhr, sagte eine Sprecherin der Polizei auf Nachfrage.

Kind nach mehr als 18 Stunden befreit

Der Flughafen wurde anschliessend weiträumig gesperrt, die beiden Terminals wurden geräumt. Alle Passagiere in den Flugzeugen wurden aus den Maschinen geholt und in einem nahegelegenen Flughafenhotel untergebracht. Insgesamt 3200 Passagiere waren betroffen, sagte ein Polizeisprecher.

Am Sonntagnachmittag, gegen 14.30 Uhr, wurde die Geiselnahme dann schliesslich nach mehr als 18 Stunden beendet. «Der Tatverdächtige hatte zusammen mit seiner Tochter das Auto verlassen», schrieb die Polizei auf X, früher Twitter. «Der Mann wurde widerstandslos von den Einsatzkräften festgenommen. Das Kind scheint unverletzt zu sein.» 

Polizei äussert sich zur Festnahme

«Der Mann hat mit seiner Tochter das Auto verlassen, ist auf Einsatzkräfte zugegangen, in dem Moment ist der Zugriff geglückt», sagte Polizeisprecherin Sandra Levgrün. «Es wird jetzt noch geguckt, ob er mögliche Sprengkörper noch irgendwie an sich trägt oder bei sich trägt oder ob sie noch im Auto vorhanden sind.» Das sei noch nicht abgeschlossen. Zum Gesundheitszustand des Mannes sagte die Sprecherin: «Wir gehen im Moment davon aus, dass er unverletzt ist, aber er ist noch am Boden liegend in Obhut der Polizeikräfte.»

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Ermittler durchsuchen Wohnung

Schon vor der Freigabe der Vierjährigen schafften sich Beamte Zugang zur Wohnung des Geiselnehmers. Wie die «Hamburger Morgenpost» berichtet, sollen sie am Sonntagmittag, rund eine Stunde vor der Freilassung, seine Wohnung betreten haben. Schon zuvor positionierten sie sich die Nacht über vor dem Wohnhaus. Dabei soll es sich um ein 12-stöckiges Hochhaus in Buxtehude handeln. Nachbarn des Geiselnehmers sollen ihn als «total normal» beschrieben haben. Einer sagte zur Zeitung: «Ich hätte nicht gedacht, dass er mal so wahnsinnig werden könnte.»

Polizei- und Kripo-Beamte sowie die Feuerwehr waren an der Wohnungsdurchsuchung beteiligt. Ein Polizeisprecher bestätigte der Zeitung, dass zunächst von aussen geprüft wurde, ob sich Sprengfallen in der Wohnung befinden. Dann verschafften sich Feuerwehrleute und Polizeibeamte per Drehleiter über den Balkon Zugang. Sie konnten eine Falle ausschliessen. Also kamen Kripo-Ermittler hinzu. Wie der Sprecher der Zeitung erklärt, wurden mögliche Beweismittel gefunden. Dessen Auswertung werde allerdings noch eine Weile dauern. 

Kontakt mit Geiselnehmer

Vor der Übergabe stand die Hamburger Polizei in Verbindung mit dem Geiselnehmer. Zunächst wurde vermutet, dass er neben einer scharfen Schusswaffe eventuell auch Sprengsätze bei sich hatte. Das «Hamburger Abendblatt» berichtete unter Berufung auf Augenzeugenaussagen, dass der Mann womöglich eine Sprengstoff-Weste trug. Dies wurde bislang nicht bestätigt.

Fest steht: Ein Sondereinsatzkommando rückte an. Weil die Sicherheit des Kindes oberste Priorität hatte, wurde zunächst auf einen Zugriff verzichtet und weiter auf Verhandlungen mit dem Geiselnehmer gesetzt.

Mit dem vermutlich 35-jährigen Mann wurde auf Türkisch verhandelt. «Wir setzen hier auf eine Verhandlungslösung», sagte Polizeisprecherin Sandra Levgrün der Deutschen Presse-Agentur. Dass sich die Gespräche so lange hinzogen, war für sie ein «absolut gutes Zeichen». «Er ist uns zugewandt. Er will mit uns sprechen und das bewerten wir erst einmal als sehr positiv.» Ein Spezialeinsatzkommando der Polizei und Polizeipsychologen waren ebenfalls vor Ort.

Ehefrau aus Stade meldet sich

Die Ehefrau des Mannes, die sich in Stade bei Hamburg aufgehalten haben soll, hatte sich zuvor wegen möglicher Kindesentziehung bei der Landespolizei gemeldet, wie ein Sprecher der Bundespolizei sagte. «Wir gehen derzeit davon aus, dass ein Sorgerechtsstreit Hintergrund des Einsatzes ist», twitterte die Hamburger Polizei kurz vor Mitternacht. 

«Die Mutter möchte natürlich so schnell es geht zu ihrem Kind», sagte der Leiter des Kriseninterventionsteams des DRK Hamburg, Malte Stüben, am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur (DPA). Die Frau stand in direktem Kontakt mit dem DRK und befand sich während der Geiselnahme am Airport. Ebenso war eine Kinderärztin da, die sich nach der Geiselnahme um das vierjährige Mädchen kümmern sollte.

Nicht die erste Entführung

Wie die «Bild» berichtet, war die Geiselnahme vom Wochenende nicht die Erste. Der Mann soll seine Tochter bereits im vergangenen Jahr entführt haben. Damals soll er mit dem Kind per Auto in die Türkei gefahren sein. Dort hielt er sich mit seiner Tochter stolze sieben Monate lang auf – von März bis September. Gegenüber «Bild» sagte Oberstaatsanwalt Kai Thomas Breas vom Amtsgericht Stade, dass der Mann dafür eine Geldstrafe zahlen musste und Ermittlungen wegen Kindesentziehung eingeleitet wurden. 

Eine Freundin der Mutter sagte zudem zur Zeitung: «Damals ist die Mama der Kleinen in die Türkei geflogen, sprach mit ihrem Ex und konnte das Mädchen wieder nach Deutschland zurückbringen.» Auch der Vater kehrte daraufhin wieder zurück nach Deutschland. 

Erhebliche Einschränkungen des Flugverkehrs

Auf der Homepage des Flughafens hiess es am Samstagbend: «Aufgrund einer bundespolizeilichen Massnahme sind zurzeit keine Starts und Landungen möglich.» Der Flughafen blieb über 20 Stunden geschlossen. Für Sonntag waren laut Flughafen insgesamt 286 Flüge mit 34 500 Passagieren geplant - 139 Abflüge und 147 Ankünfte. 213 Flüge mussten gestrichen werden. Bereits am Samstag waren 27 Flüge mit rund 3200 Passagieren von der Schliessung betroffen.

Am Sonntagabend um kurz vor 18 Uhr lief der Flugbetrieb schliesslich wieder an. «Der Flughafen hat wieder geöffnet», sagte ein Airport-Sprecher am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. Es sei aber weiter mit Streichungen und Störungen im Ablauf zu rechnen, sagte der Sprecher. Passagiere sollten ihren Flugstatus überprüfen und sich bei Bedarf an die Airline wenden.

(SDA/chs/kes/nad(mrs)

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