«Es liegt Diskriminierung vor»
Russland droht Norwegen wegen Versorgungs-Blockade

Russland wirft Norwegen vor, die Versorgung russischer Bergarbeiter auf den zu Norwegen gehörenden Spitzbergen-Inseln zu blockieren und somit gegen Völkerrecht zu verstossen. Norwegen weist die Vorwürfe zurück.
Publiziert: 02.07.2022 um 17:29 Uhr
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Aktualisiert: 02.07.2022 um 18:29 Uhr
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Russland wirft Norwegen vor, den Spitzbergen-Vertrag aus dem Jahr 1920 zu verletzen.
Foto: Getty Images

Im Ukraine-Krieg werden weltweit völkerrechtliche Abkommen auf die Probe gestellt. So auch der 100 Jahre alte internationale Vertrag von Spitzbergen. Die Inselgruppe gehört zu Norwegen. Der gleichnamige Vertrag aus dem Jahre 1920 räumt aber auch anderen Ländern, darunter auch Russland, das Recht ein, dort Rohstoffe abzubauen.

Nun wirft Russland Norwegen vor, eben diesen Vertrag zu verletzen. Demnach hat Norwegen, unter Verweis auf EU-Sanktionen, die Verladung einer Warenlieferung für eine russische Siedlung auf Spitzbergen unterbunden – obwohl Norwegen kein EU-Mitglied ist.

Moskau spricht von Diskriminierung

Norwegen weist den Vorwurf zurück. Aussenministerin Anniken Huitfeldt (52) betont: Die Lieferung – Lebensmittel, Ersatzteile und Winterausrüstung – sei vielmehr aufgrund bestehender Sanktionen gestoppt werden, die russischen Speditionen den Gütertransport über norwegisches Territorium untersagen. Russland könne die Güter stattdessen per Schiff oder Flugzeug auf die Inselgruppe bringen.

Für Russland ein No-Go: Aufgrund der einzigartigen souveränen Lage der Inseln sei dies «unangemessen». Der russische Generalkonsul in Spitzbergen, Sergej Guschtschin, erklärte: «Es liegt eine Diskriminierung vor, da nur der russischen Fluggesellschaft die Beförderung verweigert wurde. Oslo bietet nichts an und hat nichts angeboten, wir haben uns selbst versorgt.» Für den Fall, dass Norwegen die Blockade nicht umgehend aufhebt, hat Russland bereits mit nicht näher beschriebenen Vergeltungsmassnahmen gedroht.

Wie die norwegische Sicherheitsbehörde NSM am Mittwoch mitteilte, sind nur kurze Zeit später mehrere norwegische Unternehmen und Behörden Opfer von Cyber-Angriffen geworden. Verschiedene für die Bevölkerung wichtige Onlinedienste und Webseiten waren für mehrere Stunden nicht abrufbar. Hinter dem Angriff steckte offenbar eine prorussische Gruppierung.

Spitzbergen ist «terra nullus»

Der Spitzbergenvertrag, 1920 unterzeichnet, ist einer der ältesten internationalen Verträge, die nach wie vor Gültigkeit besitzen. Er gibt 46 Ländern das Recht, die natürlichen Ressourcen des arktischen Archipels auszubeuten. Tatsächlich nutzen hauptsächlich Norwegen und Russland dieses Recht. Zuvor galt die Inselgruppe als «terra nullus» – also ein Gebiet, das niemandem gehört.

Die Inseln, die sich auf halbem Weg zwischen dem norwegischen Festland und dem Nordpol befinden, sind laut dem Vertrag entmilitarisierte Zone. Norwegen ist es untersagt, dort Marinestützpunkte aufzubauen oder das Gebiet zu befestigen, das «nie für kriegerische Gründe genutzt werden darf».

Laut dem ehemaligen norwegischen Diplomaten Sverre Jervell (79) war der damalige Aussenminister Norwegens besorgt, als er den Vertragsentwurf las. «Er war dagegen, weil er Angst vor den Russen hatte», berichtet der Ex-Diplomat. Der Vertrag wurde letztlich trotzdem unterschrieben und trat 1925 in Kraft.

Ähnlicher Konflikt um Exklave Kaliningrad

Bereits Mitte Juni kam ein ähnlicher Konflikt zwischen Litauen und Russland auf. Das kleine Litauen griff gegen das grosse Russland durch – und stützte sich dabei auf EU-Sanktionen: Russische Züge, die durch litauisches Gebiet zur russischen Exklave Kaliningrad unterwegs sind, dürfen seither gewisse Waren nicht mehr transportieren. Moskau ist verärgert darüber und hat mit Vergeltung gedroht.

Laut Berichten laufen nun allerdings EU-Gespräche über ein Ende eben dieser Massnahme, insbesondere auf Drängen Deutschlands. Wie der «Spiegel» vorab meldet, will die EU-Kommission dem Kreml mit einem Deal entgegenkommen. Demnach dürfe Moskau die Transitstrecke nach Kaliningrad wieder für alle Güter nutzen, allerdings nur in begrenztem Umfang. (chs/ced/AFP)

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