Zwei Etagen, fünf Doppelzimmer und eine Küche zur Selbstversorgung – auf den ersten Blick sieht die Wohnung im Nürnberger Stadtviertel Gostenhof aus wie jedes andere Asylheim auch.
Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied zu anderen Massenunterkünften, und der ist nicht optischer Natur: Es handelt sich um die erste Unterkunft für schwule und lesbische Asylbewerber Deutschlands.
Zwei Dutzend Flüchtlinge wollen bereits einziehen
Seit heute steht die Einrichtung homosexuellen Flüchtlingen zur Verfügung, wie der «Spiegel» berichtet. Gemietet wurde die Wohnung vom schwul-lesbischen Zentrum Fliederlich in Nürnberg, das sich seit vielen Jahren für die Interessen von Homosexuellen in Mittelfranken einsetzt.
Man warte nur noch auf die Zuweisung der ersten Asylbewerber, sagt Fliederlich-Geschäftsführer Michael Glas dem Nachrichtenportal. Wer in den eigens für Homosexuelle geschaffenen Unterschlupf umziehen darf, entscheiden die Regierung von Mittelfranken und die Stadt Nürnberg, die einen Grossteil der Mietkosten übernimmt.
Den Anstoss für das Projekt habe ein Flüchtling namens Harzhir gebeben, verrät Glas. Der 24-Jährige war aus dem Nordiran geflohen, weil ihn seine Familie wegen seiner Homosexualität umbringen wollte.
In Deutschland angekommen, verbesserte sich seine Lage jedoch nicht merklich. In einer Nürnberger Sammelunterkunft wurde er von anderen Flüchtlingen diskriminiert, ausgelacht und verspottet, woraufhin er sich an Fliederlich wandte.
«Wir wurden durch Harzhir erst auf die Probleme von homosexuellen Flüchtlingen aufmerksam, mittlerweile haben uns zwei Dutzend weitere Flüchtlinge um Hilfe gebeten», wird Glas im «Spiegel»-Bericht zitiert. Deshalb habe der Verein den Entschluss gefasst, die Räume anzumieten.
«Künftig auch in der Schweiz denkbar»
In anderen deutschen Städten gibt es derweil Pläne für ähnliche Projekte. Im März soll in Berlin eine weitere Unterkunft für schwule und lesbische Flüchtlinge öffnen. In Frankfurt und München prüfen Schwulenorganisationen ebenfalls, ob sie Immobilien anmieten können.
Eine willkommene Entwicklung, denn die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Alleine dem Lesben- und Schwulenverein Berlin-Brandenburg (LSVD) wurden im vergangenen Jahr von August bis Dezember knapp 100 Fälle von Gewalt gegen homosexuelle Flüchtlinge gemeldet.
Und in der Schweiz? Gibt es auch hierzulande bald Flüchtlingsheime für Homosexuelle? «Die Entwicklung in Deutschland finde ich begrüssenswert und sehr löblich», sagt Bastian Baumann, Geschäftsleiter von Pink Cross Schweiz, auf Anfrage. «Homosexuelle Flüchtlinge haben es doppelt schwer.»
Auch hierzulande sieht Baumann bezüglich der Unterbringung von homosexuellen Flüchtlingen Handlungsbedarf. Zwar gebe es die Möglichkeit, diese privat unterzubringen, doch eine institutionelle Lösung stehe aus.
Das bestätigt auch Gaby Szöllösy, Mediensprecherin vom Staatssekretariat für Migration SEM. «Wir haben für Lesben und Schwule keine speziellen Unterbringungen. Bei allfälligen Problemen wird fallweise nach individuellen Lösungen gesucht.»
Für Pink Cross Schweiz ist klar: «Das Thema Flüchtlinge wird auf unserer Agenda immer wichtiger und ich kann mir vorstellen, dass es in Zukunft auch bei uns so etwas wie in Nürnberg geben wird», sagt Bastian Baumann. Konkrete Pläne habe man dazu aber noch nicht. «Wir hatten diesbezüglich noch keine direkten Anfragen.»