Putsch-Inszenierung vermutet
Erdogans grosse Rache gegen seine Gegner

Noch immer ist unklar, wer für den Putsch verantwortlich ist. Nun sind zwei Personen bekannt geworden.
Publiziert: 18.07.2016 um 14:55 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 16:12 Uhr

Am Tag drei nach dem gescheiterten Putsch-Versuch gibt es noch immer offene Fragen. Wer hat den dilettantischen Staatsstreich zu verantworten? Wer zettelte ihn an?

Vieles deutet darauf hin, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan vom Putsch nicht überrascht wurde: Nicht mal zwei Stunden nach dem offiziellen Scheitern entliess er tausende Richter. Rund 8000 Polizisten wurden am Montag suspendiert. Unbestätigte Fotos und Videoaufnahmen zeigen, wie Erdogan die Putschisten vorführt und schikaniert.

Erdogans beschuldigte früh Anhänger seines Erzfeinds Fetullah Gülen. Dieser war langjähriger Wegbegleiter Erdogans, beide verfolgten islamistische Ziele und machten gemeinsam Erdogans AKP-Partei stark. Seit 1999 lebt Gülen jedoch im Exil in den USA. Er rief seine Anhänger dazu auf, staatliche Institutionen zu unterwandern.

Luftwaffen-Chef soll Gülen-Anhänger gewesen sein

Beim Putsch vom Freitag wurden nun zwei Personen bekannt, die für den Putsch hauptverantwortlich sein sollen. Einer von ihnen ist Akin Öztürk. Der Luftwaffenchef soll gemäss Regierungskreisen «der formale Anführer der Junta» sein. 

Öztürk soll der türkischen Zeitung Hüriyet nach am Freitagabend auf einer Militärbasis bei Ankara den Putsch angezettelt haben. Die übrige Luftwaffen-Führung war an einer Hochzeitsfeier in Istanbul. Nicht eingeweihte Soldaten soll er früher nach Hause geschickt haben.

Laut türkischen Regierungskreisen war Akin Öztürk der Drahtzieher des Putsches.
Foto: Wikipedia

Das Motiv könnte der Frust über den Syrien-Einsatz sein. Innerhalb seiner Luftwaffe fühlten sich viele von der Politik zu diesem umstrittenen Einsatz gedrängt. Öztürks und weitere Offiziere hätten zudem befürchtet, bald aus der Armee entlassen zu werden, weil ihnen die Nähe zu Gülen unterstellt wurde. Öztürks selbst stritt dies jedoch ab und gab sich der offiziellen Armeeführung loyal.

Für Erdogan sind Gülen-Anhänger seit längerem ein Dorn im Auge. Er bezeichnete deshalb den Putsch-Versuch sogar als «Geschenk Gottes». Er will diesen «Glücksfall» nun dafür nutzen, das Militär von den «terroristischen Schlächtern zu säubern». 

Erdogans Berater auch beschuldigt

Ein weiterer Name im Zusammenhang mit der Täterschaft überraschte viele Türken: Ali Yazici soll gemäss Nachrichtenagentur Anadolu verhaftet worden sein. Yazici war der ranghöchste Militärberater von Erdogan. Bilder von letztem Jahr zeigen, wie Erdogan ihn ins Berateramt beruft.

Yazicis Name würde die These stützen, dass das Militär seine historische Rolle in der Türkei wahrnahm: Das Gesetz gibt den türkischen Streitkräfte die Legitimität, eine gewisse «Wächterrolle» inne zu haben. Sie schützen das Erbe des Türkei-Gründers Atatürk. Seine Kemalismus-Ideologie definierte Türkei als Staat, in dem Religion und Politik getrennt ist.

In der Geschichte griff das Militär mehrfach ein. Den letzten Putsch gab es 1997. Und 2007 warnte die Armeeführung indirekt vor Erdogans Politik.

Gülen vermutet Inszenierung

Fethullah Gülen glaubt an eine Inszenierung von Erdogan.
Foto: KEYSTONE/AP Zaman/SELAHATTIN SEVI

Auf diese Version geht Erdogan allerdings gar nicht ein. Er trimmte sein Volk auf die Linie, dass die Türkei vom Ausland aus gestürzt werden soll. Deshalb beschuldigt er weiterhin Fethullah Gülen, der in den USA im Exil lebt, und seine Anhänger.

Gülen selbst bestreitet jedoch jede Verantwortung und sagt gegenüber dem «Spiegel»: «Ich bin bereit, mich von einer internationalen Kommission durchleuten zu lassen.» Er gehe auch in die Exekutionskammer, wenn ihm eine Schuld nachgewiesen wird.

Gülen vermutet jedoch lakonisch, Erdogan könne den Putsch selbst inszeniert haben. Schliesslich soll Erdogan bei jeder Gelegenheit von «Säuberung» gesprochen haben. Diese Gelegenheit biete sich ihm nun. (pma)

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