Er wollte Freundin überfahren, dann stürzte sie aus dem Fenster – Beschuldigter erklärt
«Ich bin 100 Prozent unschuldig»

Der Schweizer Kujtim L. muss sich aktuell im Kosovo vor Gericht verantworten. Gemäss Anklage soll er am Tod seiner Freundin schuld sein. Die junge Argentinierin stürzte im Sommer 2023 aus einem Hotelfenster. Ihre Familie ist überzeugt: Es war ein Femizid.
Publiziert: 16.07.2025 um 13:09 Uhr
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Aktualisiert: 16.07.2025 um 21:30 Uhr
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Der Schweizer Kujtim L.* (34) sitzt seit Sommer 2023 in Sicherheitshaft.
Foto: zVg
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Qendresa LlugiqiReporterin News

Er lächelt, begrüsst Familie und Bekannte, alles vor laufenden Kameras: Der Schweizer Kujtim L.* (33) muss sich aktuell erstinstanzlich vor Gericht in der kosovarischen Hauptstadt Pristina verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Berner «schwere Tötung» vor, wie kosovarische Medien berichten.

Im Sommer 2023 soll er seine Freundin, die Argentinierin Sofia T.* (†27), im Streit zunächst geschlagen haben. Dann habe er versucht, sie auf dem Parkplatz eines Hotels, in dem das Paar untergekommen war, mit einem Auto zu überfahren. Im Hotelzimmer soll er weiter auf sie eingeschlagen und sie schliesslich aus dem Fenster im sechsten Stock gestossen haben (Blick berichtete). Bevor Sofia T. starb, richtete sie wohl ihr letztes Wort an den Beschuldigten: «Sag Papa und Mama, dass ich sie liebe!»

Gleich in seinem Eröffnungsplädoyer Ende Mai erklärte der Beschuldigte: «Ich bin zu 100 Prozent unschuldig.» Sein Anwalt hielt fest: Im Lauf der Verhandlung werde die Unschuld seines Mandanten bewiesen. Der Anwalt erklärte: «Es gibt keine konkreten Beweise im Hotelzimmer für die aktive Teilnahme oder irgendeine Form von Gewalt vonseiten meines Mandanten.» Weiter macht der Verteidiger darauf aufmerksam: «Der toxikologische Test hat ergeben, dass das Opfer verschiedene psychoaktive Substanzen eingenommen hatte, die die Wahrnehmung und die Impulsivität beeinflussen.» Es sei ein Freispruch zu erwarten.

Opfer-Eltern im Gerichtssaal

Anders sieht es der zuständige Staatsanwalt. Er wirft dem jungen Mann aufgrund von Zeugen und vorliegenden Beweisen eine schwere Tötung gemäss kosovarischem Strafgesetzbuch Art. 173 vor. Diesem Vorwurf schliesst sich auch der Opferanwalt an, der von den Eltern der Toten begleitet wird.

Die Mutter von Sofia T. hat ebenfalls am ersten Verhandlungstag ausgesagt. So berichtete sie, dass ihre Tochter den Beschuldigten im Februar 2023 in Barcelona kennenlernte. Dorthin war die junge Frau gemäss früheren Medienberichten aus La Plata in Argentinien im November 2022 umgezogen. Ihr Ziel: eine bessere Zukunft. Diese sah sie wohl schliesslich mit dem Beschuldigten, denn sie folgte ihm in die Schweiz.

Als die Mutter einmal mit ihrer Tochter telefoniert habe, habe das Opfer ihr erklärt, dass sie mit dem Beschuldigten nach Kosovo fahre. Dort war im Sommer 2023 die Hochzeit von dessen Bruder geplant. Der junge Mann soll seine Freundin offenbar illegal in den Kosovo geschleust haben, im Kofferraum versteckt. Der Grund: Argentinische Staatsbürger können ohne Visum nicht in den Kosovo reisen.

Nach einer Feier – am Abend vor der Hochzeit – eskalierte die Situation zwischen den beiden. Der Vater des Beschuldigten, der ebenfalls als Zeuge geladen war, gab vor Gericht ein Gespräch mit seinem Sohn wieder. So soll es vor dem Hotel und schliesslich im Zimmer wegen einer anderen Frau zum Streit gekommen sein. Das Opfer wollte gemäss dem Vater von seinem Sohn wissen, mit welcher anderen Frau dieser getanzt habe. Der Beschuldigte beschrieb seinem Vater den Sturz folgendermassen: «Ich habe Lärm gehört und habe ihren Namen gerufen, sie aber nicht gesehen.» Als der Beschuldigte hinausgegangen sei, habe er seine Freundin am Boden liegen gesehen. Er habe versucht zu helfen, doch vergebens.

Fehlende Aufnahme

Vor Gericht sprach vergangenen Donnerstag auch der Hotelmanager. Der Staatsanwalt wollte etwa wissen, warum eine Video-Aufnahme fehlt. Der Manager war sich jedoch sicher, dass er diese den Ermittlern weitergegeben habe. Auf die Frage, was in der fehlenden Aufnahme zu sehen sei, erklärte der Manager: «Kujtim L. wirkte sehr verwirrt, er wusste nicht, was er tun soll. Man sieht, wie er eine Bewegung mit dem Kopf macht – als ob er nicht wisse, ob er nach unten oder nach oben gehen soll.»

Weiter sollte sich der Manager zum Zustand der Fenster äussern und ob es früher schon Auffälligkeiten daran gab. Der Manager erklärte: Das Fenster, durch das das Opfer fiel, sei ein Blindflügel. «Das Fenster, aus dem sie fiel, ist fest, also es lässt sich nicht öffnen. Sie fiel mit dem gesamten Rahmen.»

Derweil gab es anscheinend bereits vor der mutmasslichen Tatnacht Streitigkeiten zwischen dem Paar. So erwähnte die Mutter der Toten vor Gericht: Der Beschuldigte soll vom Opfer vor ihrer Reise in den Kosovo verlangt haben, dass sie auch mit einer weiteren Person Sex hat. «Sofia sagte Nein, er insistierte wieder. Sie blieb aber beim Nein.» Das Opfer sei besorgt gewesen, weil der Beschuldigte dies nicht akzeptierte.

Die Familie der Toten macht dem Beschuldigten schwere Vorwürfe. So erklärte ihr Vater gegenüber argentinischen Medien kurz nach dem Vorfall: «Es ist ein Femizid. Er hat sie vom Balkon geworfen.» Die Familie macht auf Social Media regelmässig auf den Tod von Sofia T. aufmerksam und fordert Gerechtigkeit.

Wann das Urteil erfolgt, ist noch nicht bekannt. Es gilt die Unschuldsvermutung.

* Namen geändert 

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