Drama im Mittelmeer
Bis zu 700 tote Flüchtlinge bei Schiffsunglück

Vor der libyschen Küste hat sich offenbar das bislang schlimmste Flüchtlingsunglück im Mittelmeer ereignet: Nach Angaben des UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR vom Sonntag kenterte ein Boot mit rund 700 Menschen an Bord. Lediglich 28 Flüchtlinge konnten gerettet werden.
Publiziert: 19.04.2015 um 09:41 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 00:29 Uhr
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Am Montag, den 13. April, kenterte ein Flüchtlingsboot im Mittelmeer. Über 400 Menschen starben, rund 144 Menschen konnten gerettet werden. Die italienische Küstenwache stand im Einsatz.
Foto: Keystone

Das Schiff sei rund 110 Kilometer vor der Küste Libyens und in 193 Kilometern Entfernung von der italienischen Insel Lampedusa in Seenot geraten, sagte UNHCR-Sprecherin Carlotta Sami heute dem italienischen TV-Sender RAInews24. 28 Passagiere wurden demnach von einem Handelsschiff aufgegriffen. Der UNHCR-Sprecherin zufolge gibt es wohl keine weiteren Überlebenden.

Die Geretteten hätten angegeben, dass mehr als 700 Menschen an Bord waren. Sollten sich die Zahlen bestätigen, wäre es das «schlimmste Massensterben, das jemals im Mittelmeer gesehen wurde», sagte Sami. Italienische Medien berichteten, bislang seien 24 Leichen geborgen worden.

Schiff setzte Notruf ab

Das Schiff setzte laut UNHCR in der Nacht auf heute einen Notruf ab. Die italienische Küstenwache wies daraufhin einen portugiesischen Frachter an, seine Route zu ändern. Bei der Ankunft am Unglücksort sichtete die Crew den sinkenden Trawler. Das eigentliche Drama ereignete sich offenbar, als die rund 700 Flüchtlinge an Bord sich bei dem Eintreffen des Frachters alle auf eine Seite des kenternden Schiffes drängten.

Die maltesische Marine gab die Zahl der Flüchtlinge an Bord mit rund 650 an. Ein Sprecher erklärte, die Marine sei gegen Mitternacht alarmiert worden. «Gemeinsam mit Italien haben wir unsere Einsatzkräfte mobilisiert und helfen bei den Bergungsarbeiten.»

Eine gross angelegte Rettungsaktion ist von der italienischen Marine zur Suche nach Überlebenden koordiniert worden. 17 Schiffe, darunter zwei aus Malta, und mehrere Flugzeuge sowie Helikopter seien bei der Suche nach Überlebenden im Einsatz. Mehrere sizilianische Fischerboote eilten zum Unglücksort, um Hilfe zu leisten.

Auf ihrem Weg von der afrikanischen Küste über das Mittelmeer in die EU kommen jedes Jahr tausende Flüchtlinge ums Leben. Die allermeisten ertrinken, weil ihre überladenen Schiffe kentern. Alleine seit dem vergangenen Wochenende starben nach Angaben von Überlebenden mehr als 450 Flüchtlinge bei dem Versuch, über das Mittelmeer die EU zu erreichen.

2015 ertranken bereits 1500 Flüchtlinge

Seit Jahresbeginn ertranken mehr als 1500 Flüchtlinge in den Gewässern zwischen Libyen und Italien. In der vergangenen Woche trafen nach Behördenangaben mehr als 11'000 von der Küstenwache gerettete Flüchtlinge in Italien ein. Pro Tag werden zwischen 500 und 1000 Menschen von der italienischen Küstenwache oder Handelsschiffen gerettet.

Hilfsorganisationen fordern eine stärkere internationale Zusammenarbeit für bessere Such- und Rettungssysteme sowie einen Aktionsplan angesichts der beispiellosen Zahlen von Flüchtlingen und Asylbewerbern aus Asien, dem Nahen Osten und Afrika auf dem Weg nach Europa. (SDA/kab)

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