Doris Liber wartet noch immer auf ihren Sohn – erste Geisel-Übergabe erfolgreich
Der Schmerz der Zurückgelassenen

Die ersten Hamas-Geiseln wurden an Israel übergeben. Doch noch immer warten über 200 Personen auf die Freiheit. So auch der Sohn von Doris Liber. Sie bangt weiterhin.
Publiziert: 24.11.2023 um 17:47 Uhr
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Aktualisiert: 24.11.2023 um 19:31 Uhr
Der Sohn von Doris Liber wurde am 7. Oktober von der Hamas verschleppt.
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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

24 von ungefähr 240. So viele Geiseln hat die Terrororganisation Hamas am Freitag freigelassen. Darunter vor allem Frauen und kleine Kinder. Im Gegenzug muss Israel inhaftierte Palästinenser begnadigen. Zumindest ist das die Abmachung, die im Rahmen der viertägigen Feuerpause gilt. In den kommenden Tagen sollen weitere Geiseln folgen – 50 insgesamt.

Männliche Geiseln müssen aber immer noch warten, ihre Familienmitglieder müssen auf eine zweite Feuerpause hoffen. So auch Doris Liber (56). Ihr Sohn Guy Iluz (26) wurde in den frühen Morgenstunden des 7. Oktober von Hamas-Terroristen verschleppt. Er war zu diesem Zeitpunkt mit mehreren Freunden unterwegs. Zwei aus der Gruppe konnten sich in Sicherheit bringen, einer hingegen wird, wie Guy, vermisst, die anderen wurden von den Islamisten niedergemetzelt.

«Ich habe die letzten zwei Wochen das Haus nur für Beerdigungen verlassen», erzählt die Mutter. Sie rechnete jeden Tag damit, Besuch von den Behörden zu bekommen. «Wenn jemand stirbt, dann kommt die Polizei mit einem Sozialarbeiter vorbei. Bislang kam niemand zu mir. Das macht mir Hoffnung. Aber es bleibt die grosse Ungewissheit.»

Grosse Freude – aber auch tiefe Trauer

Sie freut sich aber, dass zumindest einige Eltern nun Gewissheit bekommen. «Natürlich freue ich mich für alle Kinder und Frauen, die jetzt freikommen. Ganz Israel freut sich», erzählt sie im Gespräch mit Blick. In ihren Worten schwingt auch ein unausgesprochenes «Aber» mit. Denn sie weiss immer noch nicht, wo ihr Sohn ist – und ob er überhaupt noch lebt.

«Es gibt seit dem 7. Oktober keine guten Tage mehr. Nur schlechte und noch schlechtere.» Immer wieder wacht sie nachts auf, liest die Nachrichten und hofft auf ein Lebenszeichen von ihrem Sohn Guy. Denn als wäre das alles nicht genug, tauchte Mitte Oktober ein Propaganda-Video der Hamas auf. Darin behauptet ein Islamist, Guy sei im Gazastreifen von israelischen Bomben getötet worden. Eine offizielle Bestätigung gibt es nicht.

Mutter hofft auf gute Nachrichten

Ihre einzige Hoffnung: Zum Deal zwischen dem Staat Israel und der Terrororganisation Hamas gehört auch, dass humanitäre Hilfswerke in den Gazastreifen reisen und die Geiseln besuchen dürfen. «Ich bin sehr zuversichtlich, dass ich vom Roten Kreuz irgendeine Nachricht bekomme, dass er lebt», sagt Liber. «Ich brauche mehr Informationen, etwas, woran ich mich festhalten kann.»

Das Internationale Rote Kreuz (IKRK) ist auch massgeblich am Geisel- und Gefangenenaustausch beteiligt. IKRK-Mitarbeiter werden es auch sein, die die Kinder und Frauen an die israelische Armee (IDF) übergeben. Für die Zeit während und nach der Befreiung hat das Gesundheitsministerium Israels strikte Protokolle zum Umgang mit den Geiseln herausgegeben.

Auch wenn am Freitag alles gut kommt – die Angst lässt Doris Liber nicht los. «Diese ganze Sache basiert auf dem Vertrauen, dass wir der Terrororganisation Hamas geben. Sie haben sowieso die Kontrolle über alles. Ich glaube einfach nichts, was sie sagen.» Trotz ihrer Sorgen, dem Zweifel und der Ungewissheit, ob es eine weitere Feuerpause geben wird, verspricht die Mutter ihrem Sohn: «Ich werde dich holen.»

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