«Der erste Präsident, auf den ich stolz bin»
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Dimko über Selenski:«Der erste Präsident, auf den ich stolz bin»

Dimko Zhluktenko, Drohnenpilot in der ukrainischen Armee, im Interview
«Ich hätte Besseres zu tun, als Russen zu vernichten»

Dimko Zhluktenko ist Drohnenpilot in der ukrainischen Armee. Mit Blick spricht er über den Alltag an der Front, die Taktik der Russen – und erklärt, warum er nicht mit einem baldigen Frieden rechnet.
Publiziert: 17:55 Uhr
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Aktualisiert: 18:03 Uhr
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In der ukrainischen Armee steuert Dimko Zhluktenko Aufklärungsdrohnen. Das Ziel: Wertvolle russische Ziele hinter der Frontline entdecken.
Foto: Dimko Zhluktenko

Darum gehts

  • Ukrainischer Drohnenpilot spricht über seinen Kampf gegen Russland
  • Er erzählt, wie er mit der täglichen Todesgefahr umgeht
  • Die russischen Angriffe nehmen nicht ab
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Marco Lüssi

Vor dem Ausbruch des Kriegs arbeitete der Ukrainer Dimko Zhluktenko (26) als Softwareentwickler. Seit etwas mehr als einem Jahr kämpft er in der ukrainischen Armee gegen die Russen. Blick konnte ihn in der Ostukraine per Videocall erreichen.

Sie sind Drohnenpilot in der ukrainischen Armee. Wie sieht Ihr Alltag aus?
Dimko Zhluktenko: Wenn wir auf einer Mission sind, operiert unser Team aus einem Untergrundbunker, oder wir verstecken uns im Freien. Es muss Bäume geben, die uns Schutz bieten, und ein Feld. Dort starten wir unsere Aufklärungsdrohne, die einen Livestream liefert.

Wonach suchen Sie?
Wir halten Ausschau nach wertvollen Zielen bis 50 Kilometer hinter der Frontlinie: russische Luftabwehrsysteme, Artilleriesysteme, Logistikstützpunkte, Kommandoposten. Wir versuchen alle Puzzleteile zusammenzusetzen, es ist eine Detektivarbeit. Weil die Russen auch viele Attrappen einsetzen, ist nicht immer sicher, ob das, was wir sehen, echt ist. 

Was passiert, wenn Sie ein Ziel entdeckt haben?
Neben uns können auch Offiziere den Livestream ansehen, die an einem sicheren Ort sitzen, in Dnipro oder sogar in Kiew. Gemeinsam entscheiden wir, ob das Ziel zerstört werden soll – mit Artillerie oder Himars.

Im Internet stösst man auf brutale Videos, die zeigen, wie russische Soldaten mit FPV-Drohnen getötet werden. Steuern Sie diese auch?
Nein, das tun andere. In meiner Einheit machen das die Youngsters, und sie sind ziemlich happy mit diesem Job, sie haben Spass. Aber ich konnte schon dazu beitragen, dass Artilleriefeuer direkt in einem Loch gelandet ist, in dem sich zehn von diesen russischen Idioten versteckt haben.

Wie beurteilen Sie die Fähigkeiten der russischen Armee?
Hier in der Oblast Donezk haben wir unsere besten Leute, und sie haben hier ihre besten Leute. Das Erste, was ich gelernt habe, ist, dass man den Feind nicht unterschätzen sollte. Manchmal verhält er sich schlau. Neben den Profis haben die Russen aber ihre Wegwerfsoldaten, das ist ihre Hauptstreitkraft. Es gibt diese endlosen Sturmangriffe. Sie schicken vielleicht 50 Mann los, und schon fünf Kilometer vor der Frontlinie sind 80 Prozent davon tot. Deshalb haben sie nun damit begonnen, kleine Gruppen von vielleicht drei Leuten einzusetzen. Die haben kaum Proviant dabei und nur wenig Munition. Ihre Kommandanten erwarten nicht, dass sie überleben, hoffen aber, dass sie noch möglichst viele ukrainische Verteidiger töten. Dabei kommen die meisten gar nie so weit, dass sie ihr Gewehr benutzen können. Das ist alles ziemlich grausam und unmenschlich. Moralisch sehr schwierig. Diese Soldaten werden in einen grundlosen, nutzlosen Tod geschickt. 

Die Leute gehen den Russen nicht aus?
Es gibt keine Anzeichen, dass die Angriffe abnehmen. Es gibt eine unbeschränkte Masse von Menschen, die die Russen zu opfern bereit sind. Die Zahl der Leute, die sie jeden Tag verlieren, ist absoluter Wahnsinn. Doch es werden nicht weniger, sondern mehr. Gleichzeitig gelingt es uns immer besser, sie aus der Distanz auszuschalten, weil wir uns mehr auf Drohnen fokussieren. So verlieren wir unsere Leute nicht im Nahkampf.

Sie haben eine Hilfsorganisation für Soldaten geleitet. Warum haben Sie sich danach entschieden, selber Soldat zu werden?
Wegen meiner karitativen Tätigkeit wäre ich vom Militärdienst befreit gewesen. Doch ich kam zum Schluss, dass ich in der Armee mehr für mein Land tun kann. Das Hilfswerk leitet nun meine Frau. Sie ist die bessere Managerin, sie hat dort mehr Erfolg als ich. Wie in den meisten Ländern gibt es auch in der Ukraine eine negative Selektion: Die Smarten und gut Ausgebildeten gingen nicht in die Armee. Sie braucht Leute wie mich. Ich kann gut auf Komfort verzichten, und ich kann gut mit der komplizierten Technologie arbeiten, die wir verwenden, um den Feind zu vernichten. 

Zur Person

Dmitro «Dimko» Zhluktenko wurde 1998 in der Westukraine geboren. Bis zur russischen Invasion am 24. Februar 2022 arbeitete er als Softwareentwickler für internationale Firmen. Danach gründete er das – nach seinem Hund Dzyga benannte – Hilfswerk Dzyga's Paw, das Soldaten an der Front mit Hightech-Ausrüstung versorgt und damit zur Modernisierung der ukrainischen Armee beitrug. Im August 2024 übergab Zhluktenkto die Leitung des Hilfswerks an seine Frau Iryna und trat als Freiwilliger in die ukrainische Armee ein, wo er mittlerweile als Drohnenpilot im Einsatz ist. Zudem wird er wegen seiner guten Englischkenntnisse immer wieder als Vertreter des Militärs an internationale Konferenzen entsandt. Im Sommer 2025 erschien Zhluktenkos in englischer Sprache verfasstes Buch «Ordinary Guy at War: A Ukrainian's Journey».

Dmitro «Dimko» Zhluktenko wurde 1998 in der Westukraine geboren. Bis zur russischen Invasion am 24. Februar 2022 arbeitete er als Softwareentwickler für internationale Firmen. Danach gründete er das – nach seinem Hund Dzyga benannte – Hilfswerk Dzyga's Paw, das Soldaten an der Front mit Hightech-Ausrüstung versorgt und damit zur Modernisierung der ukrainischen Armee beitrug. Im August 2024 übergab Zhluktenkto die Leitung des Hilfswerks an seine Frau Iryna und trat als Freiwilliger in die ukrainische Armee ein, wo er mittlerweile als Drohnenpilot im Einsatz ist. Zudem wird er wegen seiner guten Englischkenntnisse immer wieder als Vertreter des Militärs an internationale Konferenzen entsandt. Im Sommer 2025 erschien Zhluktenkos in englischer Sprache verfasstes Buch «Ordinary Guy at War: A Ukrainian's Journey».

Viele Ukrainer sind ins Ausland geflüchtet, um nicht eingezogen zu werden.
Ja, das ärgert mich sehr, es macht mich traurig. Auch Freunde von mir sind illegal ausgereist und leben nun beispielsweise in den USA. Ich rede derzeit nicht mehr mit ihnen. Es geht um das Überleben unserer Nation. Sie nehmen ihre Verantwortung nicht wahr. 

Wie gehen Sie persönlich mit der Gefahr um, dass Sie sterben könnten?
Ich habe das einfach akzeptiert. Wichtig ist, dass ich das Richtige mache, solange ich lebe. Dieser Gedanke gibt mir viel Hoffnung und Energie. Die Todesangst ist nur im Hintergrund vorhanden, es ist nichts Wichtiges. Töten wollen uns die Russen sowieso, ob wir nun Kämpfer sind oder Zivilisten. 

Wann wird es Frieden geben?
Die Russen wollen keinen Frieden. Es ist leider nicht so, dass das alles nur passiert, weil Putin verrückt wäre. Ist er nicht. Nein, Putin repräsentiert einfach den Willen seines Volkes. Die Russen unterstützen diese Invasion massiv. Es gibt kaum Proteste. Sie strömen in Scharen als Freiwillige in die Armee, sie arbeiten in den Raketenfabriken. Sie halten sich für die Auserwählten, für die Stärksten. Sie wollen, dass Russland eine imperialistische Macht ist. Würden die Russen sagen, wir haben schlimme Dinge getan, wir werden es nie wieder tun, es tut uns leid: Dann könnten wir Ukrainer ihnen wohl verzeihen, jedenfalls nach ein paar Generationen. Aber es gibt weit und breit keine Russen, die sagen, dass falsch ist, was sie tun. Nicht einmal in der grossen russischen Diaspora existieren Stimmen, die sich klar gegen den Krieg aussprechen. 

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Das Land hat viel zu bieten:«Ich würde mir wünschen, dass mehr Menschen in die Ukraine kommen»

Was für Gefühle haben Sie gegenüber dem Westen?
Der Westen tut nicht genug. Ihr realisiert nicht, welches Glück ihr habt, dass unser Präsident nach der Invasion im Land geblieben ist, dass unsere Armee und unsere Zivilgesellschaft so starken Widerstand geleistet haben. Die Ukraine dient als Schild für Europa. Und doch besteht eine grosse Gefahr, dass die Ukraine den Russen in die Hände fällt. Die beiden besten und am meisten kampferprobten Armeen der Welt sind derzeit die ukrainische und die russische. Wenn die Russen siegen und sich unsere Armee einverleiben, dann sieht es ziemlich problematisch aus für Europa. Der Westen sollte sich beeilen, von der Ukraine alles über moderne Kriegsführung zu lernen, um stärker zu werden. Denn was die westliche Militärdoktrin lehrt, funktioniert alles nicht mehr, seit es möglich ist, jeden Zentimeter des Schlachtfelds elektronisch zu überwachen. 

Trump hat soeben den Gaza-Krieg gestoppt. Jetzt trifft er sich erneut mit Putin. Kann Trump auch den Ukraine-Krieg beenden?
Ich würde es hoffen, aber realistisch ist es nicht. Die Russen haben das Gefühl, sie würden den Krieg gewinnen. Ihre Forderungen sind lächerlich. Wir sollen Teile unseres Landes aufgeben, unsere Armee massiv verkleinern, alle westlichen Waffen abgeben – anders gesagt: Wir sollen kapitulieren. Dazu sind wir Ukrainer nicht bereit. Wir sind lieber tot als unter russischer Herrschaft. Wie soll Trump hier eine Brücke zwischen Russland und der Ukraine bauen? Zuerst hat Trump versucht, die Ukraine zum Aufgeben zu zwingen, indem er Selenski weismachen wollte, er werde die US-Hilfe einstellen. Auf diesen Bluff ist unser Präsident nicht hereingefallen. Jetzt sucht Trump nach einer anderen Lösung. Aber weder er noch sein Team sind kompetent genug, die Komplexität der Situation zu erfassen. 

Wie geht es also weiter?
Es herrscht ein blutiges Patt. Natürlich würde ich mir wünschen, dass das aufhört. Es liegt mir fern, die Tötung von, sagen wir mal, hunderttausend weiteren russischen Soldaten zu befürworten. Denn im Grund habe ich Besseres mit meinem Leben und meiner Zeit anzufangen. Ich wollte das nie tun. Aber sie hören nicht auf, also müssen wir weiter alles tun, um sie zu stoppen.

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