Deutscher Virologe über Schweizer Corona-Weg
«Risikogruppen müssen speziell geschützt werden»

Der Deutsche Virologe Hendrick Streeck kritisiert den Schweizer Corona-Weg. Seiner Ansicht nach fehlt es an gezieltem Schutz für Senioren und Risikopatienten. Dabei hat er konkrete Ideen im Kopf.
Publiziert: 18.12.2020 um 11:10 Uhr
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Der deutsche Virologe Hendrik Streeck beurteilt die Schweizer Corona-Massnahmen als mangelhaft.
Foto: imago images/Future Image

Vor einer Woche hat der Bundesrat die Corona-Massnahmen verschärft. Im Gegensatz zum Ausland bleiben die Regeln locker. Die Beizen, die Läden und die Skigebiete sind mit Einschränkungen nach wie vor offen. Am heutigen Freitag könnte der Bundesrat die Schraube nochmals anziehen.

Doch der deutsche Virologe Hendrik Streeck (43) ist überzeugt, dass die derzeit geltende Schweizer Strategie in dieser Form nicht ausreicht, um die Pandemie in den Griff zu kriegen. «Wenn die Schweiz diesen liberaleren Weg weiterhin verfolgt, muss sie meiner Meinung nach die Risikogruppen speziell schützen. Ansonsten hielte ich das für einen gravierenden Fehler, weil das zu einer schweren Belastung des Gesundheitssystems und damit zu Todesfällen führen kann, die man hätte verhindern können», sagt er im Interview mit der «Aargauer Zeitung».

In Altersheimen gezielt ansetzen

Er plädiert neben tagesaktuellen Massnahmen für eine Langzeitstrategie und einen gezielten Schutz für ältere und kranke Personen. So sollen extra für Senioren Shuttle-Busse eingesetzt werden. Damit sollen ältere Menschen zum Arzt und Einkaufen fahren, ohne den ÖV zu benutzen.

Ausserdem sollen seiner Meinung nach Bezugspersonen von Risikogruppen regelmässig getestet werden. «Mitarbeiter von Alters- und Pflegeheimen sollen täglich vor Betreten der Gebäude getestet werden.» Auch für die Besucher sollen Schnelltests sowie FFP-2-Masken zur Verfügung stehen.

Der Forscher begründet seine Lösungsvorschläge mit den Statistikzahlen. «In Deutschland sehen wir, dass zwei Drittel der Todesfälle in Altersheimen vorkommen», sagt Streeck. Auch in der Schweiz sind die Heime erneut von einem Ausbruch betroffen.

«Die Lage ist prekär!»
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3 Corona-Tote in Fislisbach AG:«Die Lage ist prekär! Auch in anderen Kantonen»

Im Alterszentrum am Buechberg in Fislisbach AG sind 50 Bewohner und 20 Angestellte infiziert. Ähnlich katastrophal ist die Situation in Schwanden GL: Auch dort kämpfen Bewohner um ihr Leben. Laut Robert Etter, Präsident von Curaviva, verbreitet sich das Virus unter anderem auch darum so schnell, weil sich einige Angehörige nicht an die Regeln halten würden.

Kombination aus Impfung und Immunität

Doch aktuell seien die Ansteckungszahlen derart hoch, dass es nicht möglich sei, jeder Infektion auf den Grund zu gehen und erst recht nicht, Dinge auszuprobieren. In der jetzigen Lage gehe es darum, die Zahlen zu senken, sagt Streeck im Interview.

Im Sommer habe es anders ausgesehen. In der Schweiz lagen die Neuansteckungen pro Tag teils im tiefen zweistelligen Bereich. Doch man habe es versäumt, Langzeitstrategien zu entwickeln, sagt Streeck.

Der Forscher ist der Ansicht, dass die Corona-Pandemie nun durch eine Kombination aus Impfung und Immunität beendet werden kann. Erst dann würde das Virus «nicht mehr genug Menschen finden, um sich weiter auszubreiten». Bis es soweit ist, dürfte es aber noch Monate dauern. (man)

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