Übergangskanzler Hartwig Löger (53) ist ein echter Kurz-Kanzler. Gestern früh hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen (75) die Ösi-Regierung ihres Amtes enthoben und die Minister mit der interimistischen Fortführung ihrer Departments betraut. An die Stelle von Regierungschef Sebastian Kurz rückte Vizekanzler Löger – vorläufig. Denn: Der 53-Jährige soll nur bis Freitag im Amt bleiben. Dann will Van der Bellen eine echte Lösung präsentieren.
Löger war bislang Finanzminister und gehört zu Kurz' konservativer Partei ÖVP. Seit dem Rücktritt von Heinz-Christian Strache (49) fungierte Löger ausserdem als Vizekanzler. Van der Bellen hat Löger zum «Kürzestkanzler» bestellt – obwohl diesem als Kabinettsmitglied selbst vom Parlament gerade das Vertrauen entzogen wurde.
Doch die Zeit drängte. Zum einen muss Van der Bellen laut Verfassung umgehend einen Ersatz für Sebastian Kurz finden, zum anderen tagen seit gestern Abend die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union. Sie beginnen nur zwei Tage nach der Europawahl mit der Kür des neuen EU-Kommissionspräsidenten.
Übergangskanzler Löger bestimmt Juncker-Nachfolge mit
Bei der Besetzung von Brüssels Topjob hat der Europäische Rat offiziell das Vorschlagsrecht, das Parlament muss anschliessend mehrheitlich zustimmen. Da möchte Österreich nicht fehlen. Auch wenn er nur 72 Stunden Regierungschef sein wird, hat Löger dieselben Rechte und Pflichten wie ein normaler Bundeskanzler – und muss Österreich jetzt beim Poker um die Juncker-Nachfolge vertreten.
Die ÖVP gehört im EU-Parlament zu der christdemokratischen Fraktion EVP. Für sie trat der Bayer Manfred Weber (46) als Spitzenkandidat an, er ist jedoch wegen seiner geringen Regierungserfahrung umstritten. Alternativ könnten der sozialdemokratische Spitzenkandidat Frans Timmermans (58), der Brexit-Chefverhandler Michel Barnier (68) oder die liberale EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager (51) zum Zug kommen.
Löger wird dem EVP-Spitzenkandidaten beim EU-Gipfel wohl den Rücken stärken. Eine Kanzler-Pension bekommt er für seinen Kurzeinsatz aber nicht.