Darum gehts
Wer hätte das gedacht: Als Giorgia Meloni (48) 2022 Ministerpräsidentin von Italien wurde, sah kaum jemand ihren Erfolg voraus. Wie sollte die schrille Chefin der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia das als unregierbar geltende Land nach der Corona-Pandemie stabilisieren und wieder auf Kurs bringen können?
Genau drei Jahre später zeigt sich: Sie ist in ihrem Job überraschend erfolgreich. So gut, dass die Trump-Vertraute ihre Macht festigen und sogar ausbauen will, um an ihr Ziel zu gelangen.
Zwar stagniert das Wirtschaftswachstum weiterhin, und die Staatsverschuldung ist weiter angestiegen, aber Meloni hat innerhalb von zwei Jahren das Staatsdefizit mehr als halbiert. Zudem steht heute kein anderes Nachbarland der Schweiz – ausser Liechtenstein – politisch so stabil da wie Italien. Das ist für das Land mit einer durchschnittlichen Regierungslebensdauer von nur gerade 14 Monaten ungewöhnlich.
Die einst als rechtsextrem verschriene Meloni zeigt sich in gewissen Bereichen pragmatisch. Im Gegensatz zu AfD-Politikern in Deutschland und FPÖ-Politikern in Österreich steht sie mit Überzeugung hinter der Ukraine und ist eine EU-Befürworterin. Dies nicht ganz uneigennützig, denn Italien profitierte nach der Corona-Pandemie von EU-Hilfsgeldern in der Höhe von insgesamt 194 Milliarden Euro.
Ihr Freund im Weissen Haus
Seit der Wiederwahl von Donald Trump (79) zum US-Präsidenten geniesst sie auch auf der grossen internationalen Weltbühne Rückhalt. Trump hat einen Narren gefressen an der «schönen jungen Frau», wie er sie nennt, und lobt sie bei jeder Gelegenheit in den Himmel.
Die Bewunderung ist gegenseitig. Zu ihrem Buch «Ich bin Giorgia» liess sie Donald Trump Junior (47) das Vorwort schreiben. Der vergleicht sie in seinem Text mit seinem Vater: «Nur sehr wenige Menschen in der heutigen Politik können ehrlich behaupten, dass ihre Wahl einen radikalen Wandel in ihrem Land eingeleitet hat. Giorgia Meloni ist eine von ihnen – so wie mein Vater in Amerika.»
Ja, und wie Trump in Amerika will auch Meloni ihre Macht ausbauen. Sie hat im vergangenen Jahr eine Regierungsreform eingeleitet, die dem Regierungschef – also ihr – mehr Handlungsspielraum verleihen soll. Diese Reform sieht vor, dass der Regierungschef nicht mehr vom Parlament gewählt wird, sondern direkt vom Volk. So wie in den USA oder auch in Frankreich.
Mehr Macht für Meloni, weniger fürs Parlament
Der Vorteil für Meloni: Mit den Wählern im Rücken wäre Meloni weniger abhängig von mühsamen Koalitionsdeals und parteiinternen Machtspielen. Ein vom Volk gewählter Regierungspräsident könnte auch einfacher Koalitionspartner disziplinieren oder austauschen. Mit anderen Worten: mehr Macht für Meloni, weniger für das Parlament und den Staatspräsidenten.
Mit einer Direktwahl würde sie sich nicht nur eine volle Amtszeit von fünf Jahren sichern. Sie könnte auch schneller ihre Projekte wie eine noch härtere Asylpolitik, Steuersenkungen, die Rückkehr zu traditionellen Familienwerten und mehr Unabhängigkeit gegenüber Brüssel durchsetzen. Bei ihren Themen wird sie heute teilweise von ihren Koalitionspartnern Forza Italia und Lega gebremst.
Angst vor autoritärer Regierungschefin
Gegner wie die Demokratische Partei (PD) und die Fünf-Sterne-Bewegung warnen davor, dass das System in Richtung eines autoritären und unkontrollierbaren Ministerpräsidenten kippen könnte. Und das gerade dann, wenn eine Populistin und Trump-Anhängerin wie Meloni am Drücker ist. Auch könne die Reform dazu führen, dass Medienpräsenz und Spektakel mehr zählten als politische Programme. «Es wird zu einem Risiko für die Demokratie», meinte etwa PD-Chefin Elly Schlein (40).
Meloni aber begründet ihre «Mutter aller Reformen» mit der Stabilität der Regierung. Sie sieht darin ein Gegengewicht zu «hinter den Kulissen ausgehandelten Minderheiten». «Das Volk soll entscheiden, wer fünf Jahre lang regiert», sagte sie.
Ihren Machtausbau hat Meloni 2024 initiiert, als der Senat den Gesetzesentwurf in erster Lesung angenommen hat. Es braucht weitere Parlamentsabstimmungen, die bei fehlender Zweidrittelmehrheit wohl im Frühling 2026 zu einer Volksabstimmung führen dürften.
Aufstieg oder Absturz
Meloni muss aufpassen, dass ihre geplante Reform nicht zum Bumerang wird. Die Machtkonzentration könnte Brüssel misstrauisch machen und im Falle von Machtmissbrauch zu Strafen führen. Zudem werden im Zusammenhang mit einer Volksabstimmung ungute Erinnerungen an 2016 wach, als Ministerpräsident Matteo Renzi (50) mit seiner Verfassungsreform scheiterte und zurücktreten musste.
Mit anderen Worten: Mit dem Machtausbau begibt sich Meloni auf Glatteis. Gewinnt sie, dürfte sie zur einflussreichsten Frau Europas aufsteigen. Verliert sie, droht ihr der grosse Absturz.