D. B. (24) aus Bern erlebte den Horror von Turin
«Überall lagen Menschen, Kleider und Scherben»

Bei einem Public Viewing zum Champions-League-Final ist es am Samstagabend in Turin zu einer Massenpanik gekommen. Hunderte Menschen wurden verletzt. BLICK sprach mit einer Augenzeugin.
Publiziert: 04.06.2017 um 21:29 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 11:22 Uhr
Gregory Remez

1527 Verletzte, darunter ein siebenjähriger Bub, der mit Kopfverletzungen noch immer in Lebensgefahr schwebt. Und zwei weitere Schwerverletzte. Das ist die verheerende Bilanz der gestrigen Massenpanik in Turin (BLICK berichtete).

Es passiert rund zehn Minuten vor dem Abpfiff des Champions-League-Finals zwischen Juventus und Real Madrid. Plötzlich ertönt auf der Piazza San Carlo ein lauter Knall. Wahrscheinlich Feuerwerkskörper, geworfen von mutmasslich frustrierten Juventus-Fans.

Es ruft wohl jemand: «Bombe». Ein Absperrgitter kippt um, danach regiert das Chaos. Tsunamiartig setzen sich die rund 30'000 Menschen vor dem «Maxi-Bildschirm» in Bewegung. Erwachsene, Jugendliche, Kinder werden mitgerissen, überrannt, an Absperrungen gedrückt.

«Hatte noch nie solche Angst»

Eine von ihnen ist D. B.* (24) aus Bern. Sie erlebt den Horror von Turin hautnah. «Als die Panik los ging, wurde ich unter den Menschen, die vor mir standen, zu Boden gedrückt. Dann trampelte die Menge über mich», erinnert sie sich gegenüber BLICK. «Es war die Hölle. Ich hatte noch nie solche Angst.»

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Hässliche Bilder vom Piazza San Carlo in Turin.
Foto: AFP

Als sie endlich aufstehen kann, bricht eine zweite Welle der Panik aus. «Niemand verstand, was gerade passiert. Überall lagen Menschen, Kleider, Schuhe, Taschen und Scherben von Bierflaschen, die einige Männer hineingeschmuggelt hatten.»

B. vermutet, dass die Glasscherben für einen Grossteil der Verletzungen verantwortlich sind. Und bestätigt Augenzeugenberichte italienischer Medien, wonach es kaum Sicherheitskontrollen am Einlass gab: «Ich musste nicht einmal meine Tasche zeigen.»

Bilder von der verlassenen Piazza am späten Abend zeigen neben verlorenen Schuhen, Kleidern und Rucksäcken dann auch vor allem eines: jede Menge Scherben.

Was die Massenpanik ausgelöst hat, kann B. nicht mit Sicherheit sagen. «Den Knall, der die Panik ausgelöst haben soll, habe ich nicht gehört. Aber alle sprachen von einem jungen Mann, der scherzhaft ‹Bombe› gerufen habe. In Wirklichkeit seien es aber nur Petarden gewesen.»

Schwere Vorwürfe gegen Organisatoren

Augenzeugenberichte wie der von B. aus Bern werfen Fragen zur Organisation des Public Viewing auf der Piazza San Carlo in Turin auf. Nicht wenige erheben schwere Vorwürfe gegen die Verantwortlichen. Denn obschon im Vorfeld mehrere Zehntausend Besucher erwartet wurden, hätten die Sicherheitsmassnahmen überhaupt nicht den Standards einer solchen Grossveranstaltung entsprochen, heisst es.

Laut einem Bericht der «Frankfuter Allgemeine Zeitung» sollen Fluchtwege blockiert oder gar nicht erst ausgeschildert gewesen sein. Hinzu kommen die laschen Sicherheitskontrollen beim Eingang.

Die Staatsanwaltschaft ermittle jetzt gegen unbekannt, gab Präfekt Renato Saccone am Sonntag bekannt. «Was der genaue Auslöser war, werden wir erst später erfahren», sagte Saccone. Ob auch gegen die Organisatoren der Veranstaltung ermittelt wird, ist noch unklar.

*Name der Redaktion bekannt (möchte anonym bleiben)

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