«Das Gebiet ist voller Wölfe»
Rotkäppchen (5) holt Hilfe für kranke Grossmutter

Die kleine Saglana Saltschak ist todesmutig: Acht Kilometer marschiert das fünfjährige Mädchen durch den russischen Winter, um Hilfe für ihre kranke Grossmutter zu holen.
Publiziert: 19.03.2017 um 22:59 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 01:38 Uhr
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Saglana Saltschak – das russische Rotkäppchen – feiert ihren fünften Geburtstag.
Foto: Siberian Times

Dieses Rotkäppchen aus der autonomen russischen Republik Tuwa an der Grenze zur Mongolei ist eine Heldin: Um ihre Grossmutter zu retten, wagte sich Saglana Saltschak (5) mitten in der Nacht in den Wald. Ein Wald, in dem auch Wölfe leben.

Der Grossvater hatte zuvor bemerkt, dass es der Grossmutter nicht gut ging. Er schickte das Mädchen bei minus 34 Grad auf einen Acht-Kilometer-Marsch, um Hilfe zu holen. Weil er blind ist, hatte er nicht realisiert, dass es draussen stockfinster war. 

Saglana nahm Zündhölzer mit und folgte unerschrocken den Spuren eines Pferdeschlittens. Dann überquerte sie einen gefrorenen Fluss, wo sie von den kilometerweit entfernt lebenden Nachbarn gefunden wurde. 

Der sechsstündige Marsch scheint der Kleinen aber nicht viel ausgemacht zu hab.en: «Es war sehr kalt und ich war so hungrig. Aber ich hatte keine Angst. Ich bin einfach immer weitergelaufen» Saglana hatte sich lediglich eine Erkältung eingefangen. Sie hat das Spital inzwischen schon wieder verlassen. Für ihre Grossmutter allerdings kam jede Hilfe zu spät. Sie starb, bevor die Retter bei ihr eintrafen.

Kritik an der Mutter

So mutig die Tat des Mädchens war, gegen die 31-jährige Mutter von Saglana läuft nun eine Untersuchung wegen Vernachlässigung. Eleonora Saltschak könnte bis zu einem Jahr ins Gefängnis kommen, wie die englischsprachige Website «Siberian Times» schreibt. Es sei bekannt gewesen, dass die Grossmutter Gesundheitsprobleme hatte. Die Mutter hätte das Mädchen deshalb nicht bei den Grosseltern lassen dürfen. Die russischen Behörden brachten Saglana in einem Heim unter, bis das Verfahren abgeschlossen ist.

Auch gegen die Sozialbehörde des Bezirks läuft eine Untersuchung. Die Aktivistin und Journalistin Sajana Mongusch sagte zur britischen Zeitung «Guardian», es sei «schockierend», dass die Grosseltern keine Telefon- und Internetverbindung hätten. «Während der Sowjetunion hatten die Leute Kommunikationsmittel. Aber im 21. Jahrhundert muss ein fünfjähriges Mädchen zu Fuss laufen. Die Behörden sind schuld und nicht die Mutter.»

Lobesworte für den mutigen Einsatz

Semjon Rubtsow, Leiter der tuwinischen Rettungskräfte, bewundert den Mut von Rotkäppchen: «Hirtenkinder sind auf solche Situationen eher vorbereitet als Kinder aus Städten. Sie kennen die Taiga und ihre Gefahren. Dieses Mädchen ist bereits ein Profi. Sie packte die Zündhölzer für den Fall der Fälle ein.»

Jedoch sei die Situation nicht ungefährlich gewesen: «Das Gebiet ist voll von Wölfen. Im Dunkeln hätte die Kleine auf ein Rudel stossen können. Sie kann sich glücklich schätzen.» (maz)

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