Wenn das Gemeinwohl höher wiegt als Datenschutz, dann kann es zu Konflikten bei der Sammlung von Covid-Tracking-Daten kommen. Das führt jetzt zu heftigen Diskussionen in Grossbritannien. Wie die «Daily Mail» berichtet, sind gewiefte Covid-19-Tracker selbst imstande, Lockdown-Brecher dabei zu überführen, wenn sie fremdgehen oder ungeschützten Sex haben.
Ein privates Unternehmen hat demnach einen lukrativen Deal mit den Behörden ausgehandelt, Daten zu sammeln, mit denen sich zum Beispiel vorhersagen lässt, wer wahrscheinlich eine Ausgangssperre brechen wird. Harmlos heisst es dazu: Das System namens OneView der Datenanalysefirma Xantura soll Risikoanalysen über Haushalte erstellen.
Ziel des Systems ist es, bei der Identifizierung der am meisten durch das Coronavirus gefährdeten Personen zu helfen. Doch das scheint auch vielen britischen Politikern und Bürgerrechtlern zu weit zu gehen. Dem System, so wird bemängelt, fehle es an Transparenz und es sei nicht klar, weshalb so viele Informationen über das Privatleben von Menschen benötigt würden.
Kompletter Datenzugriff für Covid-Tracking
Das Tracking-System hat demnach Zugriff auf Daten von Behörden sowie Privatfirmen und gibt Auskunft über die Höhe von Schulden, über Wohnverhältnisse, Einkommen, Schulabsenzen, Versicherungsausschlüsse, usw. Diese Daten werden ins OneView-Profiling-System eingespeist, um die Risikoanalysen für Haushalte und Einzelpersonen zu erstellen, die als gefährdet eingestuft werden.
Die Daten können demnach auch benutzt werden, um Lockdown-Brecher zu eruieren. Die «Daily Mail» hat eigene Recherchen angestellt und kam zum Schluss, dass die Software auch untreuen und ungeschützten Sex aufzuspüren kann. Die Daten würden zudem über die emotionale Gesundheit und Wohlbefinden, Schlafprobleme und gefährliche Haustiere Auskunft geben, heisst es weiter.
«Unglaublich genaue» Algorithmen
Auch wer Probleme mit Wut-Management hat oder durch sozial inakzeptables Verhalten auffalle, könne bei den Behörden als Corona-Gefährder auf dem Screen auftauchen. Den Behörden werde auch die gesamte finanzielle Lage von Problempersonen ersichtlich, inklusive Schulden oder Leistungen von Schülern. Xantura preist das System als «unglaublich genau» an. Für eine Lizenzgebühr von umgerechnet knapp 22'000 Franken würden Algorithmen würden «Millionen von Daten» analysieren. Die Daten, versichert Xantura, seien anonymisiert.
Big Brother Watch, eine britische Organisation für bürgerliche Freiheiten und Datenschutz, verurteilt das Überwachungssystem als «skandalös». Die Pandemie habe eine «Verlagerung von Privatsphäre hin zur Massenüberwachung ausgelöst», heisst es. Es sei «skandalös, dass Behörden riesige Mengen an persönlichen Informationen und experimentellen Algorithmen verwenden, um Menschen hinter verschlossenen Türen ‹Risikobewertungen› und Vorhersagen zuzuordnen.
Die Menschen hätten «ein Recht darauf zu wissen», sagt Jake Hurfurt von Big Brother Watch, «wie ihre Daten verwendet werden und wie Entscheidungen über ihr Leben getroffen werden». Xantura scheint sich der Macht der Daten nur zu bewusst. Besucher auf der Webseite werfen mit den Worten empfangen: «Wir verändern Leben durch Daten.» (kes)