Das Verhältnis ist belastet, in aussenpolitischen wie wirtschaftlichen Fragen. Gerade erst hat der deutsche Aussenminister einen geplanten Besuch in Peking nach diplomatischem Eklat verschoben.
So reist nun kein Kanzler oder Aussenminister zum Antrittsbesuch der seit Mai amtierenden deutschen Regierung nach Peking, sondern Vizekanzler und Finanzminister Lars Klingbeil. «Wir sollten nicht über China reden, sondern mit China reden», begründet er das im Interview der Deutschen Presse-Agentur (dpa). «Das ist ein wichtiger internationaler Akteur: Es gibt viele Probleme auf dieser Welt, die wir nur mit China zusammen lösen können.»
Der Chef der sozialdemokratischen SPD - der Koalitionspartnerin der christdemokratischen Union (CDU und CSU) - fliegt zum deutsch-chinesischen Finanzdialog am Montag, einem regelmässigen Treffen der Finanzminister beider Länder. «Ich erwarte auch, dass wir einige Dinge dann klären mit der chinesischen Seite», sagt er vor der Reise. Es dürfte Klingbeils erste diplomatische Bewährungsprobe sein.
Eigentlich sollte Aussenminister Johann Wadephul der erste Vertreter der Regierung von Kanzler Friedrich Merz (beide CDU) in China sein. Doch in letzter Minute sagte Wadephul seine Reise ab. Die chinesische Seite hatte ihm nur ein Treffen mit seinem Amtskollegen Wang Yi zugesagt - zu wenig aus Sicht des Deutschen. Gleichzeitig kamen aus Peking deutliche Töne gegen Wadephuls wiederholt kritische Äusserungen zur chinesischen Taiwan-Politik.
Auch ein klärendes Telefonat schaffte offenkundig nicht alles aus der Welt: Laut chinesischem Aussenamt warnte Wang sein Gegenüber darin, von «Mikrofon-Diplomatie» und unbegründeten Anschuldigungen abzusehen. Gelingt es Klingbeil in dieser angespannten Situation, den richtigen Ton zu treffen? Er reise in enger Abstimmung mit Aussenminister und Kanzler, betont er.
Deutsche Top-Politiker bewegen sich bei Besuchen in China diplomatisch immer auf dünnem Eis. Lehrmeister aus dem Westen mag man dort nicht. Doch zugleich gibt es Themen, die ein deutscher Politiker nicht unausgesprochen lassen kann. In der Volksrepublik werden immer wieder schwere Menschenrechtsverletzungen kritisiert, ausserdem müssen sich westliche Gäste meist zur Taiwan-Frage verhalten.
China zählt Taiwan zu seinem Territorium, obwohl die Inselrepublik seit Jahrzehnten eine demokratisch gewählte Regierung hat. In Peking zieht man Parallelen zur deutschen Wiedervereinigung - schliesst aber auch einen Militäreinsatz nicht aus. Beinahe täglich trainiert Chinas Volksbefreiungsarmee mit Kriegsschiffen und Kampfjets vor Taiwan.
Aus Diplomatenkreisen ist zu hören, dass das Thema bei Terminen mit ausländischen Gästen zuletzt deutlicher auf den Tisch kam. So ist wohl auch die Reaktion auf Wadephuls Äusserung zu erklären, der im Grunde eine bekannte Haltung der deutschen Regierung formuliert hatte.
Auch Klingbeil sagt vorab deutlich: «Wir gucken sehr genau, was in Taiwan passiert.» Wenn es zu einer militärischen Aktion komme, «dann wird das dazu führen, dass es einen anderen Blick auf China gibt.»
China sieht sich als Gewinner der Handelsstreitigkeiten mit den USA und hat an Selbstbewusstsein gewonnen. Eine Machtdemonstration gab es zuletzt in der für die deutschen Autobauer wichtigen Chipindustrie. Zwar deutet sich in der Nexperia-Krise jetzt Entspannung an. Doch ist das nicht Chinas einziger wirtschaftspolitischer Hebel. In den Handelsgesprächen mit den USA setzte Peking seltene Erden erfolgreich als Druckmittel ein.
Die Metalle und daraus gefertigte Magnete stecken in Bildschirmen von Smartphones und Fernsehern, in den Antrieben für Elektromotoren, Halbleitern und Turbinen. Die deutsche Industrie ist deshalb darauf angewiesen. China hat ihren Export beschränkt, deutsche Unternehmen müssen aufwendige Genehmigungsverfahren durchlaufen.
Darüber wolle er sprechen, kündigt Klingbeil an. «Seltene Erden sind ein Thema, wo ich finde, wir nicht akzeptieren können, wenn ein Partner den Vorteil, den er hat, dort ausnutzt», sagt er. Generell habe er den Eindruck, China wolle eine Zusammenarbeit mit Deutschland und schätze es, «wenn man politisch auch Klartext redet an verschiedenen Stellen, wenn man Differenzen nicht versucht zu kaschieren, sondern wenn man offen auch in der politischen Debatte ist».
Ein weiteres Thema, bei dem der deutsche Vizekanzler das tun will, ist Chinas Rolle im russischen Krieg gegen die Ukraine. «Das Signal werde ich auch noch mal geben dort, dass wir eine starke chinesische Rolle sehen und dass wir uns natürlich auch wünschen, dass der Druck auf Russland hochgefahren wird, diesen völkerrechtswidrigen Krieg zu beenden», sagt Klingbeil.
In Bezug auf Russland wird den Chinesen viel Einflussmöglichkeit zugesagt. Staats- und Parteichef Xi Jinping empfing Anfang des Monats Russlands Ministerpräsidenten Michail Mischustin, die Beziehung der beiden Atommächte wird enger. Kremlchef Wladimir Putin bezeichnet der Chinese gerne als «alten Freund».
Die bisherigen chinesischen Friedensvorschläge verfolgen aus Sicht der Ukraine russische Interessen. Hinzu kommt, dass China mit seinen Öl-Importen aus Russland weiter Geld in deren Kriegskasse spült.
Kritiker werfen der SPD vor, nach der Absage Wadephuls eine Schatten-Aussenpolitik zu betreiben - zumal auch Kanzler Merz wohl erst im kommenden Jahr nach China reisen wird. Klingbeil wird von einer grösseren Delegation begleitet, die auch am traditionellen Parteiendialog der Sozialdemokraten mit der Kommunistische Partei Chinas (KPCh) teilnimmt.
Die chinesische Regierung könnte das wie Regierungskonsultationen aussehen lassen, wird befürchtet - und einen weiteren Keil zwischen die deutschen Koalitionspartner treiben. Es könnte der Eindruck entstehen, die SPD wolle den Dialog, während die Union Konfrontation mit China suche.
Klingbeil selbst weist die Vorwürfe zurück. Mit Merz und Wadephul spreche er sich eng ab, im Grunde reise er nur zufällig als Erster der Regierung. Gleichzeitig gehöre zu den Aufgaben eines Finanzministers und eines Vizekanzlers auch das Pflegen internationaler Kontakte, «und das erst recht in diesen Zeiten, wo so wahnsinnig viel sich weltpolitisch entwickelt».