Nach einem starken Regenguss brach am 14. August 2018 ein ca. 250 Meter langes Teilstück der Autobahnbrücke ein. Trümmer, Autos und LKWs stürzten 42 Meter in die Tiefe. 43 Menschen kamen ums Leben. Die Augen der Welt waren auf den Ort der Katastrophe gerichtet. Was niemand damals sah: Unter den abgestürzten Fahrzeugen befand sich auch ein Drogentransporter der Mafia.
Erst vier Jahre nach dem Unglück wird bekannt, dass die`Ndrangheta in einem gelben Kühlwagen 900 Kilo Haschisch zum Zeitpunkt des Unglücks nach Neapel transportieren wollte. Das wird aus belauschten Gesprächen zwischen zwei Mafiosi klar, die am 9. März 2020, also 19 Monate nach dem Unglück, ein Video des Einsturzes der Morandi-Brücke kommentieren.
«Wir machen halbe-halbe»
«Wenn du aufs erste Video schaust, dann siehst du einen Transporter. Er ist abgestürzt. Es ist ein Eurocargo. Du siehst ihn sehr gut, weil er gelb ist. Er liegt quer unter einem anderen Wagen», sagt der eine Mafioso zum anderen, «er hat eine Kühlkammer».
Die beiden Italiener sprechen von 900 Kilo Haschisch, die sie den «Afrikanern» abgekauft hätten und die sich in der Kühlkammer befänden. «Die Schwarzen glauben, die Ware ist verloren. Lass uns den Kühlwagen holen und wir machen halbe-halbe». Tatsächlich taucht der gelbe Camion nicht auf der offiziellen Liste der zerstörten Autos auf – aber in den Ermittlungen gegen die `Ndrangheta.
Seit Jahren haben die Mafiajäger von Reggio Calabria unter anderem den kalabrischen Bellocco-Clan im Visier. Die Mafiazelle ist auch in der Schweiz aktiv, ein Mitglied wurde beispielsweise im Tessin wegen Kokainhandels zu neun Jahren Knast verurteilt.
78 Verhaftungen in der Operation «Nachtblau»
In der sogenannten Operation «Blu Notte» (Nachtblau) wurden Anfang der Woche 78 Personen in 16 italienischen Provinzen festgenommen. 48 Mafiosi sitzen in U-Haft. Ihnen wird neben Drogenhandel auch illegaler Waffenbesitz, Erpressung und Geldwäsche vorgeworfen. Dazu passt auch die überraschende Geschichte vom gelben Kühlwagen auf der Morandi-Brücke.
Der Drogentransporter stand über ein Monat lang auf dem staatlichen Depot Genua-Bolzaneto, beschlagnahmt von den ermittelnden Behörden wie alle geborgenen Fahrzeuge jenes Unglücks. Das berichtet die Zeitung «La Repubblica». Dann gab man das Fahrzeug frei – ohne je in die Kühlkammer geschaut zu haben. Der zerdrückte LKW, samt Fracht, wurde mit einem Abschleppwagen nach Latina gebracht. Dann mithilfe der neapolitanischen Mafia Camorra erst nach Frosinone und dann weiter nach Kalabrien geschafft.