Funkspruch soll Crash erklären
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Nach Unglück in Venedig:Funkspruch soll Crash erklären

Blackout an Bord des Kreuzfahrtschiffes führte zu Drama in Venedig
«Wir haben die Kontrolle verloren»

Nur Tage nach dem Schiffsunglück in Budapest, das möglicherweise 28 Menschen das Leben kostete, schrammt ein Schweizer Kreuzfahrtschiff in Venedig an einer Katastrophe vorbei. Ein Funkspruch zeigt nun, wie es zu Unglück kam.
Publiziert: 03.06.2019 um 19:37 Uhr
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Aktualisiert: 03.06.2019 um 22:12 Uhr
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Mit Schleppbooten werden Kreuzfahrtschiffe wie die MSC Opera über den Canale di Giudecca in den Hafen Venedigs gelotst. Doch am Morgen des 2. Junis geht einiges schief.
Foto: AP
Myrte Müller

Andrea de Nadai steht am 2. Juni, um 8.30 Uhr am Canale della Giudecca. Der Venedig-Besucher will das spektakuläre Anlegemanöver eines Kreuzfahrtriesen beobachten. Die Sonne scheint. Hunderte Touristen geniessen wie er an der Uferkante die Lagunenstadt.

Der Italiener traut seinen Augen kaum. Denn beim Spektakel geht einiges schief. «Der Dampfer wurde von zwei Schleppern in den Kanal geführt», erinnert sich der Augenzeuge, «dann begann das Schiffshorn bedrohlich zu dröhnen». Hastig seien Anker heruntergelassen worden, «das machte einen Riesenkrach und es fing an zu rauchen», erzählt de Nadai dem «Gazzettino di Venezia».

«Haben alles gemacht, um Aufprall zu verhindern»

Ein Funkspruch von der Kommandobrücke des Kreuzfahrtschiffes an den Hafenmeister erklärt, was passiert ist. «Wir haben die Kontrolle über das Kommando verloren. Von der Brücke aus konnten wir nicht klar erkennen, was passierte. Wir haben alles gemacht, um den Aufprall zu verhindern: Beide Anker ausgeworfen. Die Fahrt der Schleppboote am Bug verstärkt, um das Schiff vom Anleger 29 wegzuziehen und das Schleppboot am Heck bremsen lassen», heisst es im Telefongespräch. Genutzt hat es wenig. Der fast 280 Meter lange Dampfer schlittert an Dock 29 entlang und kracht schliesslich ins Ausflugsboot.

Der Koloss kracht mit hoher Geschwindigkeit gegen die Anlegestelle San Basilio und in ein Ausflugsboot mit 110 Personen an Bord. Diese versuchen, vom Boot zu springen. Einige landen im Wasser, andere erreichen noch den Steg. Auch am Ufer rennen die Menschen beim Anblick des heran rauschenden Kreuzfahrtschiffes um ihr Leben.

«Nur» vier Verletzte

Vier Rentnerinnen aus den Staaten, Australien und Neuseeland, im Altern zwischen 67 und 72, kommen mit Brüchen und Prellungen ins Spital. Sie waren wie viele andere Passagiere der River Countess und Touristen am Steg in Panik geflüchtet, dabei gestürzt.

Der Kapitän des Kreuzfahrtschiffes habe einen Motorschaden gemeldet, sagte der Leiter des Schlepperdienstes, der die «MSC Opera» bis zu ihrem Liegeplatz begleiten sollte, den italienischen Medien. Nach dessen Angaben blockierte der Antrieb im Schubbefehl und die Geschwindigkeit nahm wieder zu. 

Die MSC Opera schrammt buchstäblich an einer Katastrophe vorbei. Dass es nicht noch mehr Verletzte gab oder gar Tote ist das reinste Wunder. Wie ein Schiffsunglück dieser Art enden kann, zeigte am 29. Mai das Drama von Budapest, bei dem höchstwahrscheinlich 28 Menschen ums Leben kamen. Sieben Leichen konnten geborgen, 21 Opfer werden noch in der Kabine der gesunkenen Hableany vermutet (BLICK berichtete).

Kreuzfahrtschiffe in Venedig umstritten

In Venedig schlägt der Zwischenfall hohe Wellen. Seit Jahren wird dort schon über die grossen Kreuzfahrtschiffe gestritten. Kritiker sehen in ihnen den Inbegriff des Massentourismus und wollen sie komplett aus der Lagunenstadt verbannen.

Kurz nach dem Unglück versammelten sich gestern Demonstranten am Quai. Sie protestieren gegen die Kreuzfahrtschiffe, die täglich Tausende von Tagestouristen in die Stadt ausspucken. Venedigs Bürgermeister doppelte nach und sagte, das Unglück sei ein weiterer Beweis, dass in dem Kanal keine Kreuzfahrt-Riesen mehr fahren könnten. Auch Italiens Verkehrsminister Danilo Toninelli erklärte, die Stadt müsse besser geschützt werden.

Geplant ist, dass die besonders grossen Kreuzfahrtschiffe eine weniger spektakuläre Route um die Stadt fahren und in der Industriegegend Marghera anlegen. Darüber wird allerdings auch schon seit Jahren debattiert. Nach Angaben von Kultur- und Umweltschützern gefährden die Wellen der riesigen Schiffe die Fundamente des Weltkulturerbes und bedrohen das sensible ökologische Gleichgewicht in der Lagune.

Proteste nach dem Boots-Crash in Venedig
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Mindestens vier Verletzte:Proteste nach dem Boots-Crash in Venedig
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