Die Natur schlägt am Mittwoch kurz nach 19 Uhr zu: Ein heftiger Platzregen entlädt sich über dem Gallo-Pass. Die Erde setzt sich in Bewegung. An vier Stellen über anderthalb Kilometer überrollt Geröll die Verbindungsstrasse zwischen dem italienischen Livigno und Zernez im Engadin. Der grösste Erdrutsch verschüttet eine Galerie am Stausee.
Mittendrin sind drei Autos, in denen sich insgesamt elf Personen befinden. Wie durch ein Wunder gerät keines der Fahrzeuge in die Steinmassen. Doch die Autos sind in einer Falle.
Die Eingeschlossenen riefen um Hilfe
«Um 19.15 Uhr riefen uns die ersten Betroffenen an. Sie waren erschrocken, riefen um Hilfe», erzählt Achille Gurini (47), der Leiter der freiwilligen Feuerwehr. «Wir sind gleich zum Unglücksort gefahren. Da rutschte noch der Hang.»
Was Gurini wundert: «Das Gewitter brach nur acht Kilometer von Livigno entfernt los. Bei uns aber fiel kein Tropfen Wasser vom Himmel. Als wir beim Tunnel ankamen, goss es noch in Strömen. Der Platzregen hielt eine halbe Stunde an. So etwas habe ich in meinen 27 Jahren Feuerwehrdienst noch nie gesehen.»
Evakuierung erfolgte über den Stausee
Die Zeit drängt. Die Helfer fackeln nicht lange. «Wir haben das Schlauchboot der Bergwacht geholt und die Menschen über den Stausee nach Livigno gebracht», sagt Gurini.
Gegen 20.45 Uhr ist die Evakuierung beendet. Ein norwegisches Ehepaar, ein italienischer Tourist und acht Grenzgänger aus Livigno sind in Sicherheit. Ihre Autos stehen noch auf der Passstrasse. Und das noch eine ganze Weile.
Passstrasse noch Tage gesperrt
«Wir brauchen sicher mehrere Tage, bis alles Geröll entfernt und die Fahrt wieder frei sein wird», vermutet Achille Gurini.