«Die Nato wird die Nachbarstaaten der Ukraine stärken»
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Experte für Militärstrategie:«Die Nato wird die Nachbarstaaten der Ukraine stärken»

Auch Konfrontation mit der Nato ist nicht auszuschliessen
So gefährlich kann die russische Invasion werden

Ab wann reagiert die ukrainische Armee? Wann greift die Nato doch noch ein? Blick zeigt, worauf man sich im drohenden Einmarsch der Russen in die Ukraine gefasst machen muss.
Publiziert: 23.02.2022 um 19:17 Uhr
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In der Ostukraine haben Einheiten der ukrainischen Armee Stellung bezogen.
Foto: imago images/Ukrinform
Guido Felder

Die Ukraine bereitet sich auf den Krieg vor. Am Mittwoch hat der Sicherheitsrat für 30 Tage die Ausrufung des Ausnahmezustands angekündigt. Das heisst: Es können Ausgangssperren angeordnet, willkürliche Kontrollen durchgeführt und die Polizeieinheiten aufgestockt werden.

Präsident Wolodimir Selenski (44) hat zudem eine Teilmobilmachung der Reservisten angeordnet. «Wir müssen operativ die Armee und andere militärische Formationen auffüllen», sagte er. Auch wird den Ukrainern das Tragen von Schusswaffen sowie das «Handeln zur Selbstverteidigung» erlaubt.

Am Montag hatte der russische Präsident Wladimir Putin (69) in einer Rede verkündet, dass der Kreml die auf ukrainischem Gebiet gelegenen Separatistengebiete als eigenständige Republiken anerkennen werde. Diese besetzten Gebiete machen rund 32 Prozent der Fläche der beiden Oblaste Luhansk und Donezk aus, in denen insgesamt 6,5 Millionen Menschen wohnen.

Ab wann schlagen die Ukrainer zurück?

Seit Putins Rede herrscht gespanntes Warten. Die russischen Panzer stehen an der Grenze bereit. US-Präsident Joe Biden (79) sagte schon am Wochenende, dass ein Einmarsch in die Ukraine in den nächsten Stunden oder Tagen erfolgen werde.

Die Frage bleibt: Wie weit wird Putin mit seinen Truppen eindringen und ab welchem Punkt wird die ukrainische Armee eingreifen? Dazu sagt Mauro Mantovani (58), Dozent Strategische Studien an der ETH-Militärakademie: «Falls die russische Armee tatsächlich die heute teilweise von Separatisten besetzten Oblasten Donezk und Luhansk vollständig einnehmen will, erwarte ich, dass sich die ukrainische Armee zur Wehr setzen und Kampfhandlungen eröffnen wird.»

Eine solche Reaktion würde Putin als Vorwand dienen, sich seinerseits zu verteidigen und mit seiner überlegenen Armee noch weiter Richtung Westen vorzustossen. Ein Szenario besteht darin, dass Russland den Osten besetzen und in einer «Rumpf-Ukraine» im Westen eine vom Kreml aus gelenkte Marionettenregierung einsetzen würde.

Das Extremszenario

Die Nato, so hat sie schon angekündigt, würde nicht eingreifen. Dennoch könnte es auch zu einer Konfrontation mit dem westlichen Militärbündnis kommen. Zwei Atom-Armeen im Krieg? Eine Horrorvorstellung. «Leider ist auch ein solches Extremszenario nicht auszuschliessen», sagt ETH-Sicherheitsexperte Benno Zogg (32) zu Blick.

Dass die Russen nach der Ukraine ein Nato-Land angreifen würden, glaubt Zogg zwar nicht. Jedoch könnte ein Missverständnis oder ein Unfall zu einer Eskalation zwischen den beiden Superarmeen führen. Zogg: «Wegen der erhöhten militärischen Aktivität kann es durchaus zu einem Zusammenstoss zweier Kampfjets oder Schiffe kommen. Möglich wäre auch, dass ein Luftabwehrsystem ausgelöst wird, weil es falsch eingestellt ist oder ein Jet unabsichtlich den Grenzraum verletzt.»

Deshalb sei es wichtig, sich gegenseitig auszutauschen. Auch gegenseitige Inspektionen, wozu es Abkommen gebe, würden helfen, Missverständnisse zu vermeiden.

Käme es zu einer direkten Konfrontation der Russen und der Nato, würde es brenzlig, denn beide Seiten verfügen über Tausende von Atomwaffen. Dass sich ein solcher Zwischenfall ausweiten könnte – sogar bis zu einem Weltkrieg – glaubt Zogg aber nicht. «Die beiden Seiten unterhalten direkte Kommunikationskanäle. Es hat niemand ein Interesse daran, dass sich ein Krieg auf die Welt überträgt – auch Putin nicht.»


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