Auch die Ukraine steigt aus wichtigem Abkommen aus
Nato-Grenze in Osteuropa soll zum Minenfeld gegen Putin werden

Westliche Geheimdienste befürchten einen möglichen Angriff Russlands auf weitere osteuropäische Staaten. Als Reaktion planen mehrere Nato-Länder einen gigantischen Minengürtel entlang der Grenze zu Russland und Belarus. Dafür treten sie aus der Ottawa-Konvention aus.
Publiziert: 13:54 Uhr
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Aktualisiert: 16:38 Uhr
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Ein neuer Minengürtel in Osteuropa soll verhindern, dass Russland seinen Krieg ausweitet.
Foto: imago images/YAY Images

Darum gehts

  • Osteuropäische Nato-Staaten planen einen gigantischen Minengürtel gegen einen möglichen russischen Angriff
  • Austritt aus der Ottawa-Konvention ermöglicht Einsatz von Antipersonenminen
  • Minengürtel soll sich über 3500 Kilometer entlang der Nato-Grenze erstrecken
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Marian NadlerRedaktor News

Greift Kremlchef Wladimir Putin (72) weitere Staaten in Osteuropa an? Westliche Geheimdienste befürchten genau das. Ein möglicher Angriff könnte noch vor Ende des Jahrzehnts erfolgen, so die Einschätzung der Spione.

Ein Bericht des britischen «Telegraph» hat vergangene Woche enthüllt, dass mehrere osteuropäische Nato-Staaten zusammenspannen, um einen gigantischen Minengürtel als Schutz gegen einen möglichen Angriff Russlands zu errichten. Die Zeitung nannte ihn «den neuen Eisernen Vorhang». Die Teilnehmer des Vorhabens haben alle angekündigt, aus der Ottawa-Konvention austreten zu wollen. Diese verbietet den Einsatz von Antipersonenminen.

Auch die Ukraine hat signalisiert, dass sie sich nicht mehr an das Abkommen halten will. Blick beantwortet die wichtigsten Fragen zum Sicherheitsprojekt.

Was ist die Ottawa-Konvention?

Die Ottawa-Konvention, offiziell bekannt als «Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung», wurde 1997 abgeschlossen und trat 1999 in Kraft. Der Vertrag wurde von über 160 Ländern unterzeichnet und von 133 Ländern ratifiziert.

Warum sind Antipersonenminen umstritten?

Antipersonenminen sind stark umstritten, da sie wahllos sowohl Soldaten als auch Zivilisten töten können. Zudem stellen nicht geräumte Minen auch nach Konfliktende noch eine Bedrohung dar. Allein 2023 sind weltweit mehr als 5700 Menschen durch Landminen getötet oder verletzt worden. Das geht aus einem Jahresbericht der Internationalen Kampagne für das Verbot von Landminen (ICBL) hervor. Hinzu kommt: Die Räumung der Sprengkörper ist gefährlich, teuer und kostet viel Zeit.

Warum treten die Ukraine und die baltischen Staaten aus dem Abkommen aus?

Der Grund liegt auf der Hand: Russland führt in Osteuropa Krieg. Und: Der Konflikt könnte sich ausweiten. «Viele unserer nationalen Geheimdienste geben uns die Information, dass Russland in drei bis fünf Jahren die Verteidigungsbereitschaft der EU testen könnte», sagte die EU-Aussenbeauftragte Kaja Kallas (48) im Januar dieses Jahres.

Die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen wollen mit dem Austritt aus dem Abkommen ihre Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeiten stärken und ihrem Militär mehr Entscheidungsfreiheit gewähren. Ähnliches hört man aus Polen. Finnlands Präsident Alexander Stubb (57) begründet die Entscheidung mit dem Verhalten Russlands. Mitte Juni sagte er, die Realität sei, dass die Finnen «mit Russland ein aggressives, imperialistisches Nachbarland haben, das selbst nicht Mitglied des Ottawa-Vertrags ist und rücksichtslos Landminen einsetzt».

So argumentiert auch der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (47): Russland sei nie Vertragspartei gewesen und verwende in zynischer Weise «alle zur Verfügung stehenden Mittel, um Leben zu zerstören».

Neben Russland halten sich auch China und die USA nicht an das Abkommen. Zu den über 160 Staaten, die den Vertrag unterzeichnet haben, zählen beispielsweise die europäischen Grossstaaten Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien.

Wie soll der Minengürtel aussehen?

Hier könnte der Minengürtel verlaufen.
Foto: Blick-Grafik / Dominik Baumann

Der Minengürtel soll sich an der Nato-Grenze zu Russland und Belarus über eine Länge von rund 3500 Kilometern erstrecken – vom finnischen Lappland im Norden bis zur polnischen Provinz Lublin im Süden. Ein Grossteil der Grenzgebiete ist spärlich bewohnt und dicht bewaldet. Wie der «Telegraph» berichtet, planen Militärs bereits, welche europäischen Wald- und Seenlandschaften für den Fall eines russischen Angriffs mit den tödlichen Sprengkörpern bestückt würden. Um den gesamten Landstrich effektiv mit Minen auszustatten, bräuchte es mehrere Millionen der Sprengfallen.

Der Minenteppich soll anrückenden Truppen in kürzester Zeit so schwere Verluste zufügen, dass man von einem längeren Krieg absieht. Laut Laurynas Kasciunas (43), der bis Ende 2024 Verteidigungsminister in Litauen war, sollen die Minen mit physischen Barrieren, Drohnen in der Luft und mit dem Einsatz von Langstreckenwaffen zu einem «Gesamtsystem» kombiniert werden. Die Minen sollen laut dem konservativen Politiker grenznah gelagert werden.

Ob sich die Ukraine an dem Projekt beteiligen wird, ist indes noch völlig unklar. Aussagen in diese Richtung gab es von ukrainischer Seite bislang nicht.

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Welche Nachteile könnte der Minengürtel haben?

Die Minengürtelgebiete wären auf Jahrzehnte hinaus unbewohnbar. Potenzielle Schäden für Mensch und Umwelt wären nicht abzusehen. Minen trotzen den Witterungseinflüssen, sind meist gut getarnt und können durch Bodenerosion oder andere natürliche Faktoren verschleppt werden, was die Räumung erschwert. «Selbst wenn die Schüsse verhallt sind, bleiben die Rückstände des Krieges erhalten, lauern in Feldern, auf Wegen und Strassen und bedrohen das Leben unschuldiger Zivilpersonen», warnte Uno-Generalsekretär Antonio Guterres (76) im April anlässlich des Internationalen Tages zur Aufklärung über die Minengefahr.

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