Die Ministerrunde billigte an einer Sitzung im Verteidigungsministerium den Rechtsrahmen, der eine Wehrerfassung junger Männer einführt, aber zunächst auf Freiwilligkeit und einen attraktiveren Dienst setzt, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) nach der Kabinettssitzung erfuhr.
Eine Rückkehr zur Wehrpflicht schon in Friedenszeiten, wie sie vor allem Politiker der christdemokratischen Union (CDU und CSU) von Kanzler Friedrich Merz (69) wiederholt gefordert hatten, wurde nicht vereinbart. Verteidigungsminister Boris Pistorius von der sozialdemokratischen Koalitionspartnerin SPD formuliert aber Grundvoraussetzungen für eine Aktivierung.
Wenn die verteidigungspolitische Lage oder ein Mangel an Freiwilligen eine Wehrpflicht erforderlich macht, muss der Bundestag erst zustimmen. Auch über das jetzt im Kabinett beschlossene Gesetz entscheidet das deutsche Parlament.
Auch mehr Geld soll Attraktivität steigern
Die Bundeswehr benötigt etwa 80'000 zusätzliche, aktive Soldaten. Denn die Nato hält für Deutschland eine Grössenordnung von 260'000 Männern und Frauen in der stehenden Truppe für erforderlich, um einem Angriff etwa Russlands standzuhalten.
Dabei soll der Wehrdienst vor allem die Grundlage für eine grössere Reserve schaffen. Geplant ist, mit 15'000 neuen Wehrdienstleistenden zu beginnen und eine verpflichtende Musterung ab 2027 einzuführen. Zur Wehrerfassung müssen junge Männer in einem Fragebogen Auskunft geben, ob sie zum Wehrdienst bereit und fähig sind. Frauen können dies tun.
Der Pool, an den sich der neue Wehrdienst richtet, ist die Altersgruppe der 18- bis 25-Jährigen. Pistorius verfolgt zudem mehrere Ansätze, um den Dienst attraktiver zu machen. Darunter ist auch ein höherer Sold. So sollen Wehrdienstleistende künftig als Zeitsoldaten bezahlt werden und somit mehr als 2000 Euro (1873 Franken) netto monatlich erhalten.
Wadephul zog Vorbehalt zurück
Anfang der Woche hatte es noch Verstimmung in der Koalition gegeben, weil Aussenminister Johann Wadephul (CDU) zwischenzeitlich Einspruch gegen den Gesetzentwurf eingelegt hatte – mit einem sogenannten Ministervorbehalt. Nach Gesprächen zwischen den Ministerien zog er ihn aber zurück.
Die Union fordert im Gesetz verankerte verbindliche jährliche Zielvorgaben für die Aufstockung der Bundeswehr mit Freiwilligen, deren Unterschreiten Schritte zu einer Wehrpflicht auslösen soll. Die SPD setzt auf Freiwilligkeit.
Verstimmungen in der Koalition
Pistorius äusserte Unverständnis über den zwischenzeitlichen Einspruch von Wadephul. Er habe «kein Verständnis dafür, dass man aus dem Parlament heraus einen Gesetzentwurf der Regierung schon vorher versucht aufzuhalten über ein Ministerium», sagte der SPD-Politiker im Deutschlandfunk.
Pistorius machte deutlich, dass er durchaus noch mit Änderungen am Gesetz im parlamentarischen Verfahren rechnet. Es gelte die alte Regel: «Kein Gesetz verlässt den Bundestag in der Regel so, wie es hineingegangen ist. Das wird hier so oder ähnlich auch sein», sagte der Verteidigungsminister.