Die etwa 100 dort fest stationierten Soldaten sollen in das nördliche Hauptquartier der Nato-Ausbildungsmission «Resolute Support» in Masar-i-Scharif verlegt werden, wie das Einsatzführungskommando in Geltow bei Potsdam am Dienstagabend der Deutschen Presse-Agentur bestätigte. Zuvor hatte die «Bild"-Zeitung darüber berichtet.
Der besonders gesicherte Bundeswehr-Stützpunkt im «Camp Pamir» der afghanischen Armee soll aber bestehen bleiben. Je nach Bedarf sollen künftig Beraterteams dorthin geflogen werden, um dem Ausbildungsauftrag weiter nachzukommen. Eine ständige Bundeswehrpräsenz in Kundus wird es aber nicht mehr geben.
Insgesamt sind 1250 Bundeswehrsoldaten in Afghanistan stationiert, der grösste Teil davon in Masar-i-Scharif. Der dritte Standort ist die Hauptstadt Kabul.
Die Abzugs-Entscheidung für Kundus wurde nach dpa-Informationen bereits im Spätsommer von der militärischen Führung des Nato-Einsatzes in Kabul getroffen. Mit der von US-Präsident Donald Trump vergangene Woche beschlossenen Beschleunigung des Abzugs der US-Truppen aus Afghanistan hat sie also nichts zu tun. Bis zum 15. Januar soll die US-Truppenstärke von etwa 4500 auf 2500 Soldaten reduziert werden. Nur fünf Tage später, am 20. Januar, soll Trump vom Wahlsieger Joe Biden im Weissen Haus abgelöst werden.
Die USA hatten mit den militant-islamistischen Taliban Ende Februar ein Abkommen unterzeichnet, das den schrittweisen Rückzug aller US- und Nato-Streitkräfte bis Ende April 2021 in Aussicht stellt. Die Taliban verpflichteten sich zu Friedensgesprächen mit der Regierung in Kabul, die im September aufgenommen wurden. Der Prozess geriet im Streit um Verfahrensfragen jedoch ins Stocken.
Nun ist völlig unklar, ob die Bedingungen für den Abzug bis Ende April erfüllt sind. Erst im Februar soll bei einem Nato-Verteidigungsministertreffen entschieden werden, wie es in Afghanistan weitergeht. Die Bundeswehr hat deswegen mehrere Abzugs-Szenarien entworfen und bereits jetzt 100 Logistiker für die Planung und Abwicklung vor Ort.
Kundus ist für die Truppe ein Schicksalsort. Hier lieferten sich deutsche Soldaten vor zehn Jahren erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wieder stundenlange Gefechte. Nirgendwo in Afghanistan fielen mehr Deutsche als in Kundus und der Nachbarprovinz Baghlan. Insgesamt kamen in dem seit 19 Jahren andauernden Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr 59 Soldaten ums Leben - die meisten bei Anschlägen oder in Gefechten.
Als die Bundeswehr 2013 zum ersten Mal aus Kundus abzog, sagte der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière: «Kundus, das ist für uns der Ort, an dem die Bundeswehr zum ersten Mal gekämpft hat, lernen musste zu kämpfen. Das war eine Zäsur - nicht nur für die Bundeswehr, sondern auch für die deutsche Gesellschaft.»
Das deutsche Feldlager, in dem damals noch 900 Soldaten stationiert waren, wurde dichtgemacht. Erst im März 2018 kehrten 100 deutsche Soldaten zur Beratung der afghanischen Armee nach Kundus zurück, ins «Camp Pamir». Nach knapp drei Jahren wird nun bald wieder Schluss sein.
(SDA)