Ernestus Aibeb (41) sieht aus wie ein Schuljunge, dem der Lehrer die Leviten liest. Demütig steht er hinter einer Holzbank. Wortlos und sichtlich geknickt lässt er die Schelte über sich ergehen, den Blick starr auf den Boden geheftet.
Doch der 41-Jährige steht nicht im Klassenzimmer, sondern vor dem Hohen Gericht von Oshakati im südwestafrikanischen Namibia. Er hat keinen Streich begangen, sondern einen bestialischen Dreifachmord. Richter John Liebenberg: «Es gibt kaum etwas Abscheulicheres, das man einem Menschen antun kann. Vor allem, wenn die Opfer unschuldige, wehrlose Frauen und Kinder sind», sagt er.
Für den Schweizer Urs Gabathuler und seine namibische Frau Ansta ist es der schwerste Gang ihres Lebens. Sie sind im Gericht anwesend, als über den Mann gerichtet wird, der ihre beiden Kinder brutal getötet hat. Noch einmal müssen sie anhören, was in der Nacht auf den 4. Mai 2009 geschah.
Ernestus Aibeb stellte seiner Freundin Bertina nach. Er vermutete, dass sie einen anderen hat, und fand sie im Haus der Familie Gabathuler in der Kleinstadt Outjo. Bertina hütete gerade die zwei Kinder ihrer Schwester Ansta. Die hatte den Bauunternehmer aus Schiers GR 2002 kennengelernt.
21-mal auf die Nanny eingestochen
Blind vor Wut brach Aibeb ins Haus ein. Eines der Kleinkinder der Gabathulers erwachte vom Lärm, fing an zu schreien. Bertina, die Schwägerin des Schweizers, schaute nach, entdeckte ihren Ex-Freund. Der Bauarbeiter zückte ein Messer, stach zuerst auf Nandume (†4 Monate) ein, dann auf die Namibierin. 21-mal durchbohrte die Klinge ihren Körper, sie starb wenig später.
Im Blutrausch bemerkte Aibeb eine Kollegin Bertinas, die auf die Kinder aufpassen wollte. Obwohl sie hochschwanger war, streckte er sie mit zehn Messerstichen nieder. Das Opfer überlebte nur knapp, ihr ungeborenes Kind starb durch die Klinge. Sie schaffte es, sich hinter dem Haus zu verstecken, erzählt sie später. Hörte, wie der Mörder ins Haus zurückkehrte und sich über Ndele (†3) hermachte.
Aibeb kannte die Familie Gabathuler, arbeitete im Baugeschäft von Urs, war bestens mit dem Ehepaar befreundet. Trotzdem steckte er das Eigenheim der Familie in Brand, um Beweise zu vernichten. Darauf flüchtete Aibeb. Die Kleinkinder überliess er einem grauenvollen Tod.
Er ist geständig, bedauert aber nichts
«Welchen Grund kann es geben, ein Haus anzuzünden, obwohl man weiss, dass sich ein Säugling und ein Baby darin befinden?», fragt Richter Liebenberg beim Prozess am vergangenen Montag in die Runde. Warum? – Diese Frage stellen sich auch die Gabathulers immer wieder, eine Antwort haben sie bis heute nicht. Am Prozess schweigt der Beschuldigte. Zwar ist er geständig, die Gräueltaten bedauert er aber nicht.
Das scheint dem Vater die Kehle zuzuschnüren, bei der Befragung fehlen ihm die Worte. Weinend sagt er: «Ich hasse den Beschuldigten nicht, aber er gehört hinter Gitter.» Auch seine Frau Ansta kann vor Gericht ihre Emotionen nicht zurückhalten: «Zwei Jahre habe ich darauf gewartet, schwanger zu werden. Jetzt sind meine beiden Kinder durch die Hände eines Mannes gestorben, der wie ein Bruder für mich war. Ich hasse ihn für das, was er getan hat», bricht es unter Tränen aus ihr heraus. Sie sei psychisch krank, sehe keinen Sinn mehr im Leben, sagt Ansta.
«Für die Taten gibt es keine Rechtfertigung»
Der Gerichtsvorsitzende wendet sich an das Ehepaar Gabathuler: «Wie ich sehe, wurde die Familie mit einem Neugeborenen beschenkt. Hoffentlich kann es Ihrem Leben neuen Sinn geben.» Ansta und Urs fordern, dass der Mörder ihrer Kinder für immer ins Gefängnis kommt.
Eine Woche später kommt der Richter diesem Wunsch nach, verurteilt Aibeb zu 87 Jahren Haft wegen dreifachen Mordes, versuchten Mordes, Einbruch und Brandstiftung. Richter Liebenberg: «Für die Taten des Angeklagten gibt es keine Rechtfertigung. Er handelte unerwartet und sehr brutal. Die Angst und der qualvolle Schmerz, welche die Opfer durchleiden mussten, ist unvorstellbar und schockierend.»