Frauen im Bikini am Strand, in hohen Schuhen, im Minirock: vor 40 Jahren waren solche Szenen normaler Alltag im Iran. So westlich und weltoffen könnte das heute isolierte Land immer noch aussehen – wenn nicht Ayatollah Khomeini gewesen wäre und der Schah von Persien das Land besser geführt hätte.
Dass der religiöse Führer Khomeini (†87) 1979 die Islamische Republik ausrufen und bis zu seinem Tod ein Jahrzehnt regieren konnte, hatte sich die liberale Elite des Landes teilweise selbst eingebrockt. Unter Intellektuellen war die Unzufriedenheit mit dem autoritären Schah gross. Viele hatten im Westen studiert und wollten mehr Demokratie. Im ganzen Land kam es zu Massenprotesten.
Zeitzeuge Sadegh Riahi (75), der damals als Architektur-Dozent an der Uni in Schiras unterrichtete, erinnert sich: «Wir wollten Veränderung und mehr Freiheit. Meine Frau und ich nahmen an den Demos teil – unseren Sohn Arash nahmen wir im Kinderwagen mit.»
Die Islamische Revolution stürzte den Schah, dessen Vater das Land nach dem ersten Weltkrieg quasi zwangsmodernisiert und das Kopftuch verboten hatte. Im ersten Jahr danach herrschte Aufbruchstimmung. Doch nach und nach griffen die Mullahs, die islamischen Rechts- und Religionsgelehrten, immer mehr in den Alltag der Iraner ein.
Das Gespräch mit dem Nachbarsjungen war ein Fall für die Sittenpolizei
Elika Palenzona-Djalili (53), Dozentin für islamische Kunst und persische Sprache und Literatur an der Uni Bern, erlebte diese Zeit als Teenager. «Von einem auf den anderen Tag wurde meine amerikanische Schule in Teheran geschlossen. In die Übergangsschule kamen Mitschüler an manchen Tagen heulend, weil zuvor ihr Vater oder ein Onkel exekutiert wurde.»
Der Ausbruch des ersten Golfkriegs ein Jahr später festigte Khomeinis Macht. Als der Irak unter Saddam Hussein das Land angriff, schwor Khomeini das Volk auf seinen extremen Kurs ein. «Das Land hat sich plötzlich vereint, weil es sich vom Ausland bedroht fühlte», erzählt die Islamwissenschaftlerin Palenzona-Djalili. Gleichzeitig wurde die Sittenpolizei immer präsenter. «Als ich mich mit einem Jungen aus der Nachbarschaft unterhielt, wurden wir beide befragt und mussten anschliessend erklären, dass wir uns ab jetzt an die islamischen Sitten halten.» Vor allem für Frauen waren die Folgen drastisch: Unterdrückung, Gewalt – und die Rückkehr des Kopftuchs.
An den Verhüllungszwang gewöhnten sich die Frauen nur widerwillig. Auch für Sadegh Riahis Frau Iran (66), eine studierte Kunsthistorikerin, war das Kopftuch neu. Zu Unizeiten war sie eine fabelhafte Volleyballspielerin, alte Fotos zeigen sie im knappen Sportdress mit ihren Teamkolleginnen.
Mädchen, Tanz und Alkohol gehörten zum Studium dazu
Sadegh Riahi erinnert sich nur allzu gern an seine eigene Studienzeit in Teheran. «Es war ganz normal, dass auch Unverheiratete zusammenlebten. Und natürlich hatten wir alle Freundinnen», sagt er lachend. Riahi sitzt in den Räumen seines Reiseunternehmens in Zürich-Wollishofen, neben ihm sein Sohn Arash (41). Dem zwinkert Riahi schelmisch zu. «Das hast du jetzt nicht gehört.»
Abends ging es im pulsierenden Teheran der 60er in den Ausgang, es war die Zeit der Beatles. Am liebsten tanzte Riahi aber Tango. In den Clubs und Bars wurde Rotwein getrunken, auch Wodka und Whisky. 1971 ging Riahi für drei Jahre nach Europa, studierte in Holland, Norwegen und England Raum- und Stadtplanung. Zurück in der Heimat, fuhr er mit einem weissen Mini Minor und zog als Städteplaner in die Millionenstadt Schiras.
Sadegh Riahi ist in Shahrekord südwestlich von Isfahan geboren und hat seine Kindheit in dieser gebirgigen Landschaft verbracht. Er ist ursprünglich ein in Iran und Europa ausgebildeter Architekt und Raumplaner, mit Aufenthalten an den Universitäten von Teheran, Rotterdam, Oslo, Edinburgh und an der ETH Zürich. Nach mehrjähriger Tätigkeit als Architekt in Zürich gründete er gemeinsam mit seiner Frau Iran Riahi (66), einer Kunsthistorikerin, 1994 das Unternehmen «Riahi Travel», das sich auf Individual- und Gruppenreisen spezialisiert hat.
Sadegh Riahi ist in Shahrekord südwestlich von Isfahan geboren und hat seine Kindheit in dieser gebirgigen Landschaft verbracht. Er ist ursprünglich ein in Iran und Europa ausgebildeter Architekt und Raumplaner, mit Aufenthalten an den Universitäten von Teheran, Rotterdam, Oslo, Edinburgh und an der ETH Zürich. Nach mehrjähriger Tätigkeit als Architekt in Zürich gründete er gemeinsam mit seiner Frau Iran Riahi (66), einer Kunsthistorikerin, 1994 das Unternehmen «Riahi Travel», das sich auf Individual- und Gruppenreisen spezialisiert hat.
Ein Freund stellte Riahi die kluge, sportliche Iran vor. «Er lud uns beide zu sich nach Hause ein – er dachte, sie könnte mir gefallen.» Das tat sie offensichtlich: 1976 heiratete das Paar, der weisse Mini diente als Hochzeitsauto. Manche der älteren Frauen trugen Kopftuch, Iran Riahi und ihre Freundinnen nicht. Eine friedliche Co-Existenz, die mit der Revolution endete.
Die Clubs, in denen das Ehepaar Riahi so gerne Tango getanzt hatte, wurden geschlossen. Reisen ging nicht mehr. Proteste gegen die Kopftuchpflicht wurden niedergeschlagen, Demonstrantinnen verhaftet.
Frauen im Iran fahren LKW und schreiben Bücher
1982 ging Riahi als Doktorand an die ETH in Zürich, seine Frau und die beiden Söhne holte er einige Monate später nach. Das Reisebüro, das das Ehepaar zwölf Jahre später gründete, war auch eine Herzensangelegenheit. «Das machen wir wirklich aus Liebe, die meine Frau und ich zum Land haben», sagt Sadegh Riahi. Seine Frau begleitet jede Gruppenreise, gerade ist sie am Persischen Golf unterwegs. In diesem Jahr feiert das Familienunternehmen sein 25-jähriges Jubiläum, bald soll es in die Hände der jüngeren Generation übergehen. Eine natürliche Entwicklung – wie sie auch das Heimatland der Riahis gerade erlebt.
Denn: Die Frauen legten nach der Machtübernahme der Mullahs zwar das Kopftuch an, strömten aber danach geradezu scharenweise an die Universitäten. Mehr als 60 Prozent von ihnen studieren, aus Positionen im öffentlichen Leben sind sie im Iran im Vergleich mit anderen islamischen Ländern nicht wegzudenken. Sie fahren LKW oder schreiben Bücher. So ändern sie durch Kultur und Bildung langsam die Gesellschaft.
Doch die Angst vor dem Regime ist gross – und reicht bis in die Schweiz. Exil-Iraner achten genau darauf, was sie öffentlich sagen oder schreiben, um keine Probleme zu bekommen. Noch immer sind Hinrichtungen in ihrem Heimatland an der Tagesordnung. Erst im Januar wurde ein 31-jähriger Homosexueller öffentlich gehängt. Proteste gegen die Regierung, die das Land in den vergangenen zwei Jahren erfassten, wurden gewaltsam niedergeschlagen. Da reicht es auch nicht, dass das Kopftuch an vielen Orten im Land mittlerweile eher wie ein Modeaccessoire getragen wird. Auch locker um den Kopf geschlungen zeigt die Zwangsbedeckung: Die Moralwächter kämpfen weiterhin für ihren Gottesstaat.
Ayatollah Ruhollah Khomeini war der Architekt der Revolution. Er stellte sich gegen die Monarchie im Iran, gegen die USA und besonders gegen Israel. 1963 ging er ins Exil, zuerst in den Irak, später nach Frankreich.
Über die Grenze geschmuggelte Kassetten von Khomeini wurden in den iranischen Moscheen abgespielt. Dem Zugriff des Schahs entzogen, konnte Khomeini besonders harte Kritik üben.
Als die Unzufriedenheit mit dem Schah in der Bevölkerung wuchs, nutzte der Asket – Khomeini ass fast ausschliesslich Joghurt, Reis und Früchte – die Gunst der Stunde. Mit einer Air-France-Maschine kehrte Khomeini am 1. Februar 1979 nach 14 Jahren im Exil zurück. An Bord zahlreiche Journalisten – um nicht abgeschossen zu werden. «Was fühlen Sie?», wurde er gefragt. Khomeini antwortete abgeklärt: «Nichts.»
Die vom Klerus geführte Revolution stürzte zehn Tage später den Schah von Persien. Nach tagelangen Strassenkämpfen kapitulierten die Streitkräfte des Schahs vor den Revolutionären. Die Monarchie im Iran wurde kurz danach durch die Islamische Republik ersetzt.
Vom Verfassungsrat wurde Khomeini zum «Imam», dem obersten religiösen Führer, ernannt. Zehn Jahre stand Khomeini dem Staat vor, mit 87 Jahren starb er an Herzversagen. Seine Rolle übernahm sein ehemaliger Schüler Ali Khamenei, der seitdem auch politisch das letzte Wort in allen strategischen Belangen hat.
Die Islamische Revolution isolierte den vorher westlich geprägten Iran. Zahlreiche Länder haben wegen der Atompolitik Sanktionen gegen den Iran verhängt – mit massiven wirtschaftlichen Folgen für die Bevölkerung.
Ayatollah Ruhollah Khomeini war der Architekt der Revolution. Er stellte sich gegen die Monarchie im Iran, gegen die USA und besonders gegen Israel. 1963 ging er ins Exil, zuerst in den Irak, später nach Frankreich.
Über die Grenze geschmuggelte Kassetten von Khomeini wurden in den iranischen Moscheen abgespielt. Dem Zugriff des Schahs entzogen, konnte Khomeini besonders harte Kritik üben.
Als die Unzufriedenheit mit dem Schah in der Bevölkerung wuchs, nutzte der Asket – Khomeini ass fast ausschliesslich Joghurt, Reis und Früchte – die Gunst der Stunde. Mit einer Air-France-Maschine kehrte Khomeini am 1. Februar 1979 nach 14 Jahren im Exil zurück. An Bord zahlreiche Journalisten – um nicht abgeschossen zu werden. «Was fühlen Sie?», wurde er gefragt. Khomeini antwortete abgeklärt: «Nichts.»
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Die Islamische Revolution isolierte den vorher westlich geprägten Iran. Zahlreiche Länder haben wegen der Atompolitik Sanktionen gegen den Iran verhängt – mit massiven wirtschaftlichen Folgen für die Bevölkerung.