10 Jahre nach dem Tsunami
Auf Spurensuche am Todesstrand

Am 26. Dezember 2004 zerstörte ein Tsunami das Ferienparadies Khao Lak. 10 Jahre später ist das Leben wieder zurück.
Publiziert: 25.12.2014 um 22:41 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 20:57 Uhr
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Blick.ch-Fotoredaktor Marko Heinemann staunt, wie weit das Polizeiboot fortgeschwemmt wurde.
Foto: Blick.ch
Von Marko Heinemann

Ich stehe am Strand von Nang Thongin Khao Lak, zusammen mit meiner Frau Pranee. Auch wegen ihr ist Thailand zu meiner zweiten Heimat geworden. Der Himmel ist wolkenverhangen, das Meer ist ruhig. Dass hier an dieser Stelle vor zehn Jahren eine Monsterwelle Tausende von Menschen in den Tod gerissen hat, ist für uns in diesem Moment unvorstellbar.

Nang Thong und das Nachbarsdorf Bang Niang sind in Khao Lak am stärksten verwüstet worden. Inzwischen ist alles wieder aufgebaut. Entlang dem vierspurigen Highway 4 säumen sich Restaurants aller Couleur, SouvenirShops, Family Marts, nepalesische Kleiderläden, Tauchschulen und sogar ein McDonald’s. Alles sieht so neu aus wie es ist.

Beim Tsunami Memorial Park in Bang Niang treffen wir Somporn, der Esswaren und Getränke verkauft. Auch Bücher und DVDs über den Tsunami hat er im Angebot. Trotzdem redet er nur ungern über die Katastrophe. Zu meiner Frau Pranee fasst er dann trotzdem Vertrauen.

«Ich hörte am Radio, dass es in Phuket eine Sturmflut gegeben hatte», erinnert er sich. Beunruhigt sei er zu diesem Zeitpunkt aber nicht gewesen. Vielmehr habe er sich wie geplant auf den Weg zum Marktplatz gemacht. «Plötzlich rannten Menschen wild schreiend vom Strand her auf mich zu. Und dann sah ich das Wasser kommen. Ich rannte so schnell ich konnte und suchte Schutz im Tempel.»

Als er Stunden später aus seinem Versteck herausgekommen sei, habe er seinen Augen nicht getraut: «Das ganze Gebiet war flachgewalzt. Überall lagen Baumstämme, Trümmer von zerstörten Häusern, halb im Schlamm begrabene Leichen, mitgeschwemmte Autos, sogar dieses Schiff.»

Er zeigt auf das Polizeiboot 813, das von der Hauptwelle fast zwei Kilometer landeinwärts gespült worden war. Noch heute liegt es aufgebahrt am selben Ort, wo es die Monsterwelle abgeworfen hatte.

An den Bretterwänden des Getränkestandes von Somporn informieren leicht vergilbte Tafeln über die Katastrophe, ganz oben hängt das Bild einer deutschen Familie. Vater, Mutter, zwei kleine Kinder posieren lachend in SchwarzWeiss. Jetzt sind sie alle tot, so wie die über 4000 Menschen, die an der 25 Kilometer langen Küste von Khao Lak ihr Leben lassen mussten. Ertrunken in der meterhohen Wasserwand, erschlagen vom Treibgut.

In einem Restaurant in Nang Thong kommen wir ins Gespräch mit Anuwat, dem Sohn der Besitzerfamilie Ko Chin. Ihr Resort liegt am Fuss eines Hügels. Der hintere Teil der Bungalow-Anlage liegt bestimmt fünf, sechs Meter über dem Niveau der Hauptstrasse, die hier in einer kleinen Senke verläuft. «Wir waren völlig überrascht, als das Wasser kam», erinnert sich Anuwat. «Autos wurden einfach von der Strasse gespült. Menschen rannten um ihr Leben, immer weiter den Hügel hinauf. Das Wasser stieg schliesslich bis zum Waldrand. Das alte Restaurant unten an der Strasse wurde völlig zerstört, auch die Bungalows standen unter Wasser. Es ist ein Wunder, dass in unserem Resort niemand schwer verletzt wurde.»

Wir haben uns für acht Nächte im «The Sands» direkt am Nang Thong-Beach einquartiert. Gruppiert um eine grosszügige Gartenlandschaft mit Swimmingpool stehen mehrere dreistöckige Gebäude. Viel Glas, vor allem aber massiver Beton. Ein paar Schilder weisen den Fluchtweg. «Tsunami Evacuation Route», weg vom Strand, hin zum Berg.

Nicht nur unser Hotel, alle Neubauten sind grösser, luxuriöser und vor allem stabiler. Vorbei ist die Zeit, als Khao Lak ein beliebtes Reiseziel für Backpacker mit einfachen Unterkünften aus Holz war.

Um eine ähnliche Katastrophe künftig zu verhindern, ist in Südostasien seit Ende 2008 ein Tsunami-Frühwarnsystem in Betrieb. Auch an unserem Strand steht eine Sirene. In einem vergleichbaren Notfall hätten die Menschen in Khao Lak eine Frist von etwa 90 Minuten gehabt, um sich in Sicherheit zu bringen.

2004 hätte diese Zeit für viele gereicht.

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