So starb die deutsche Seilschaft
Die letzten Stunden am Lagginhorn

Nach dem Zmorge in der Weissmieshütte nahmen die zwei Väter mit dem Nachwuchs den Gipfel in Angriff.
Publiziert: 05.07.2012 um 00:09 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 17:43 Uhr
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Die Deutschen checkten am Montag gegen 17 Uhr in der neuen Weissmieshütte (rechts) ein. Am Dienstag marschierten sie um 4.30 Uhr los.
Foto: Peter Gerber
Von Daniel Riedel, Fabienne Riklin und Adrian Schulthess

Der Tisch im Restaurant Boccalino in Saas-Fee VS war schon reserviert für gestern Abend. «Sechs Bergsteiger» hatte der Wirt eingetragen. Sie waren am Sonntagabend in Saas-Fee eingetroffen, bezogen die gemietete Ferienwohnung ganz in der Nähe der Pizzeria.

Am Sonntagabend kehrten sie bereits im Boccalino ein, bestellten Pizza, schwärmten von der geplanten Tour aufs Lagginhorn. Jetzt sind fünf von ihnen tot. Sie sind umgekommen beim Abstieg vom Viertausender.

BLICK machte sich gestern auf die Spuren der Bergsteigergruppe. Und traf bei der Weissmieshütte auf 2726 Meter über Meer auf Küchenchef Norbert Burgener (53). «Es ist schockierend, was am Dienstag passiert ist», sagt er. «Gleich fünf Menschen, die beim selben Unglück ums Leben kommen. Am Berg gibt es immer ein Restrisiko. Aber das macht mich fassungslos.»

«Sie machten einen fitten Eindruck»

Burgener hat die Gruppe am Montagnachmittag empfangen. «Sie sind gegen 17 Uhr angekommen», sagt er. «Sie waren gut ausgerüstet. Hatten Pickel dabei, Steigeisen, Karabiner, alles ­Nötige. Und sie machten alle einen fitten Eindruck.»

Die Bergsteiger kamen aus verschiedenen deutschen Städten, kannten sich aber schon länger. Aus Berlin reiste Peter S.* (48) an, mit seinen Kindern Marie-Claire († 14) und Maximilian († 19). Aus Waldlaubersheim im Landkreis Bad Kreuznach kamen Gunther H.* († 44) und Sohn Simon († 17). Ein Freund der Jungs, Silas T.* († 20) aus Oerlinghausen, begleitete die beiden Familien.

«Fünf Menschen, die beim selben Unglück umkommen. Das ist schockierend»: Weissmies-Hüttenkoch Norbert Burgener (53).
Foto: Peter Gerber

Noch am Montagabend warfen die beiden Väter einen Blick auf die Route. Rekognoszierten den Einstieg in die Westflanke des Lagginhorns, die Normalroute auf den 4010 Meter hohen Gipfel. «Danach gabs Znacht», sagt Burgener. «Gemüsesuppe zur Vorspeise, Bohnensalat, Poulet­brüstli mit Rahmsauce und Rösti. Zum Dessert selbst gemachte Cremeschnitten. Sie hatten alle einen guten Appetit. Aber sie tranken keinen Alkohol.»

Nach dem Wetterbericht im Fernsehen bezogen die sechs Deutschen ihr Quartier, den Massenschlag im Zimmer 1 der Hütte. Die zweite Gästegruppe, drei Spanier, kriegte ein anderes Zimmer.

«Um 4.30 Uhr sind sie los»

Tagwacht am Dienstag war 4 Uhr. «Sie haben gefrühstückt. Um 4.30 Uhr sind sie los. Sie waren überzeugt, dass sie das schaffen», sagt der Hütten-Küchenchef. Die sechs Bergsteiger machten sich auf, das 4010 Meter hohe Lagginhorn zu bezwingen.

Was genau dort oben passierte, bleibt weiter unklar. Peter S. gab kurz vor dem Gipfel wegen «Unwohlseins» auf, liess die fünf ohne ihn weiterziehen. Auch seine Kinder Marie-Claire und Maximilian schafften es bis ganz nach oben.

Burgener hörte erst um 12.55 Uhr wieder von der Gruppe: Der Ingenieur Peter S. telefonierte in die Hütte. «Ich merkte, dass er unter Schock stand. Aber er konnte klar formulieren, was passiert war: ‹Fünf Personen sind abgestürzt!› Ich habe gleich die Retter alarmiert.»

400 Meter in den Tod

Rund 100 Meter unter dem Gipfel, sie waren schon beim Abstieg, stürzten die Deutschen ab. 400 Meter in den Tod. Entgegen der ersten Annahme ­waren die fünf Opfer nicht an­geseilt. «Wir gehen von zwei möglichen Szenarien aus», sagt Renato Kalbermatten, Sprecher der Walliser Kantonspolizei. «Entweder einer aus der Gruppe ist gestürzt und hat die anderen mitgerissen. Oder aber der Boden hat sich unter der Gruppe gelöst. Geröll oder festgetretener Schnee.»

Die Seilschaft ging ohne Bergführer aufs Lagginhorn. Die Deutschen waren aber nicht zum ersten Mal am Berg. Alle sechs ­waren Mitglied einer Sektion des Deutschen Alpenvereins, ­Silas T. und Maximilian S. ­waren schon zusammen in christlichen Bergsteiger-Lagern.

«Seit vier Jahren kamen ­Peter S. und seine Kinder jeden Sommer nach Saas-Fee», weiss eine Nachbarin der Ferienwohnung, die der Berliner für eine Woche gemietet hat. Im letzten Jahr waren sie auf dem Alphubel und dem Allalinhorn, zwei ­Walliser Viertausender. «Und nach der Lagginhorn-Tour war der Dom eingeplant.»

Der reservierte Tisch im Boccalino blieb gestern Abend leer. Maximilian hätte seinen 20. Geburtstag gefeiert. Er erlebte ihn nicht mehr.

* Namen bekannt

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