Frank A. Meyer – die Kolumne
Die Sprache des Totalitären

Publiziert: 25.08.2019 um 12:00 Uhr
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Aktualisiert: 25.08.2019 um 12:29 Uhr
Frank A. Meyer

Es gibt politisches Handeln auf einer so tiefen Ebene, dass man sich eigentlich gar nicht damit beschäftigen möchte – aus Selbstachtung. Was aber, wenn solche Phänomene für eine Verkommenheit stehen, die man längst überwunden glaubte? Und wenn sie dann auch noch Propaganda­wirkung entfalten?

So verhält es sich mit dem Apfelplakat der SVP, das Maden in den Farben anderer politischer Parteien zeigt – SPS und FDP und CVP und Grüne, die eine knackige Frucht mit Schweiz-Aufkleber befallen haben.

Die verdienten Demokraten der Eidgenossenschaft: nichts als Ungeziefer?

Was wäre das publizistische Echo, würde der italienische Innenminister Matteo Sal­vini mit dem SVP-Apfel für seine rechte Lega werben? Es wäre die Bestätigung: Salvini ist ein Faschist.

Was wäre das Echo, würde der Thüringer Parteiführer Björn Höcke mit dem SVP-Apfel für seine AfD werben? Es wäre die Bestätigung: Höcke ist ein Nazi.

Wie aber fällt die öffentliche Reaktion aus, wenn die SVP ihre politischen Konkurrenten als ekelerregendes Ungeziefer darstellt? Die Medien zeigen sich geniert: Unanständig sei das Bild, geschmacklos, «bireweich», wie in der «Neuen Zürcher Zeitung» zu lesen war.

Mehr nicht.

Mehr sagt Bettina Richter, Kuratorin der Plakatsammlung im Zürcher Museum für Gestaltung: «Selbstverständlich findet sich darin auch eine Kontinuität zur faschistischen Plakatgrafik. Dies alles ist aber nicht neu, sondern geschah bereits bei vielen früheren SVP-Plakaten, allerdings grafisch virtuoser.»

Die SVP ist die grösste Partei der Schweiz. Sie gilt als bürgerlich.

Wie verträgt sich Bürgerlichkeit mit totalitärer Bildsprache?

Der militanteste Propagandist der Schweizerischen Volkspartei trumpft in seinem Magazin auf: «Natürlich sind Provokationen meistens unanständig, dreckig, oft schockierend, zuweilen eklig», doch komme es ausschliesslich «auf die Substanz der Botschaft an».

Der Zweck heiligt die Mittel!

Sahen sich die Propagandisten des Faschismus im Italien der Zwanzigerjahre anders? Sahen sich die Nationalsozialisten im Deutschland der Dreissigerjahre anders?

Demokraten waren auch für sie nichts als Gewürm, das es auszumerzen galt.

Erhellend ist, wie der schwadronierende Zürcher Journalist und Wahlkämpfer die damaligen Zeiten bezeichnet: «Abgründe abendländischer Krawallpolitik.»

Die Faschistenzeit, die Nazizeit mit sechs Millionen ermordeten Juden, mit Folter und Vernichtung Andersdenkender in Konzentrationslagern, mit 60 Millionen Kriegstoten:

«Krawallpolitik»?

Was ist die Antwort auf den Abgrund namens SVP? Die Forderung nach Moral?

Wer die SVP-Wortführer der Unmoral zeiht, der setzt voraus, dass für sie Moral überhaupt ein Kriterium ist. Doch dieser Bezug fehlt.

Wo aber der Moral-Bezug fehlt, da ist Amoral.

Die Sprache des Totalitären, rechts wie links, war schon immer jenseits jeder Moral.

An einer Wahlkampfveranstaltung in Uster biss SVP-Regierungsrätin Natalie Rickli am Donnerstag demonstrativ in einen Apfel.

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