Hat es Sie überrascht, welche Fragen es in die Top 10 geschafft haben?
Caroline Fux: Im Grossen und Ganzen nicht. Ich habe mittlerweile ein ziemlich gutes Gefühl dafür, was viel beachtet wird. Auf den Spitzenreiter, der hier noch nicht verraten sein soll, hätte ich jedenfalls auch gesetzt. Aber es hat auch Fragen dabei, von denen es mich gewundert hat, dass sie so stark beachtet wurden.
Was charakterisiert eine Spitzenfrage?
Viel geklickt werden die Fragen, die die Neugier anregen, aufregen, polarisieren, schockieren. Dinge, auf die man später Freunde anspricht und über die man im Büro diskutiert. Fragen, bei denen man sich fragt: «Ist das wirklich echt?»
Und? Sind die Fragen echt?
Sie müssen stark gekürzt werden, weil die Leute zum Glück mehr schreiben als fünf Sätze. Sonst könnte ich mir ja nicht wirklich ein Bild von einer Situation machen. Aber alles, was im Ratgeber kommt, wurde mir zugeschickt. Wir erfinden hier definitiv nichts auf der Redaktion. Ich mache mir aber keine Illusionen: Ich mache zwar jeweils einen Fact-Check, aber ich kann nicht überprüfen, ob jemand etwas genau in der Form erlebt hat.
Werden Fragen, die gefälscht sein könnten, aussortiert?
Wenn sie plausibel sind, nicht. Es gibt viel Erstaunliches und Verrücktes in der Welt der Sexualität. Weit mehr, als sich die meisten Leute vorstellen können. Trotzdem ist es anstrengend, wenn jemand schwindelt, übertreibt oder die Beratung sonst irgendwie missbraucht. In die Beratung fliesst viel Zeit und Energie: Die Antworten, die die Absender bekommen, sind viel länger als das, was man online oder in der Zeitung sieht. Es ist mühsam, wenn jemand das Angebot nur zu seinem Spass beansprucht. Vor allem aber ist es unfair jenen gegenüber, die wirklich Hilfe brauchen.
Werden reisserische Fragen bevorzugt?
Überhaupt nicht! Ich will ein möglichst genaues Bild von dem geben, was zugesandt wird und die Leute beschäftigt. Es braucht auch Platz für auf den ersten Blick banale Fragen, beispielsweise den Liebeskummer, den wir alle auch schon erlebt haben, Unsicherheiten in der Kennenlernphase oder eine nicht verdaute Trennung. Es gibt auch keinen Druck seitens der Chefredaktion. Das ist wichtig, und ich bin dankbar dafür. Der Leidensdruck hinter nicht so aufregenden Geschichten ist übrigens oft grösser, als wenn die Frage besonders reisserisch rüber kommt.
Werden Sie von manchen Fragen auch noch überrascht?
Teils. Nicht im Sinne, dass ich schockiert wäre. Ich denke dann vielleicht «Wie konnte der sich da nur reinmanövrieren?» oder «Wie hat sie je gedacht, dass das schlau ist und gut kommt?». Aber Menschen sind nun mal nicht rational und machen auch mal einen Seich. Ich auch. Aber genau dafür ist die Beratung ja da: Man soll Hilfe bekommen, wenn man nicht weiter weiss und nicht weiss, wen man fragen soll.