Diese Ereignisse führten zum Debakel
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Credit Suisse in der Krise:Diese Ereignisse führten zum Debakel

Notfusion mit der UBS
Heute entscheidet sich das Schicksal der Credit Suisse

Die angeschlagene Grossbank soll mit der UBS notfusioniert werden. Die Nationalbank hat sich für eine rasche Lösung eingesetzt.
Publiziert: 19.03.2023 um 00:07 Uhr
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Aktualisiert: 20.03.2023 um 11:21 Uhr
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CS-Präsident Axel Lehmann wird zur tragischen Figur.
Foto: keystone-sda.ch
Beat Schmid*

Es sind die dunkelsten Stunden in der 167-jährigen Geschichte der Credit Suisse. Übers Wochenende wird das Schicksal der einst wichtigsten Bank der Schweiz besiegelt. Die Bank, die mit der Schweizer Wirtschaftsgeschichte verwoben ist wie kein anderes Institut. Aus der Weltkonzerne wie Swiss Re oder der Rentenversicherer Swiss Life hervorgegangen sind. Die Bank von Alfred Escher (1819–1882), die erste Investmentbank der Schweiz.

Jetzt soll die Credit Suisse Group, die kaum mehr auf eigenen Beinen stehen kann, an ihre härteste Konkurrentin verhökert werden. Darüber wurde gestern und wird heute gerungen. Am Tisch sitzen Spitzenvertreter von Nationalbank, Finma, CS und UBS. Erörtert wird ein kompletter Verkauf der Credit Suisse oder Teile davon. Wie die «Financial Times» am Freitagabend berichtete, wolle die Nationalbank unter der Leitung von Thomas Jordan, dass sich die beiden Banken auf «eine einfache und unkomplizierte Lösung einigen, bevor die Märkte am Montag öffnen».

Das passiert im Moment in Bern
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Credit Suisse in der Krise:Das passiert im Moment in Bern

SonntagsBlick weiss: Heute Sonntag kommt es zum entscheidenden Treffen mit dem Bundesrat. Später soll die Öffentlichkeit informiert werden. Das Wunschszenario der Aufsichtsbehörden ist eine Fusion der beiden Grossbanken. Der sogenannte Plan A soll den völligen Zusammenbruch des Vertrauens der Anleger in die Credit Suisse stoppen, schreibt die britische Finanzzeitung. Ein Kollaps der CS als eine von 30 globalen systemrelevanten Banken würde eine Kettenreaktion auslösen, die nicht mehr zu kontrollieren wäre. Blick informiert im Live-Ticker über die neusten Entwicklungen.

Eine mögliche Notfusion mit der UBS deutete sich bereits Ende der Woche an. Die am Mittwochabend gesprochene Liquiditätshilfe über 50 Milliarden Franken der Nationalbank verschaffte nur vorübergehend Linderung. Bereits am Freitag verloren die Aktien der Credit Suisse wieder deutlich an Wert. Bei Handelsschluss kostete eine Aktie 1.86 Franken – minus acht Prozent.

Anleihen im Tiefflug

Dass die Marktkräfte nicht zu bändigen waren, zeigte sich auch an den Anleihenkursen. Die Bonds, wie die Schuldpapiere im Jargon genannt werden, haben sich trotz der SNB-Unterstützung kaum von ihren Tiefständen erholt. Auch die berüchtigten Credit Default Swaps, die einen Ausfall eines Bonds absichern, verharrten weiterhin auf sehr hohem Niveau.

Eine Erklärung könnte sein, dass die CS erstklassige Aktiven als Sicherheit bei der SNB hinterlegen musste, um die nötige Liquidität zu erhalten. Dadurch verschob sich das Risikoprofil der Bank – sie wurde risikoreicher. Manche Anleiheninhaber dürften das gemerkt haben. Auch für die Ratingagenturen war der gewaltige Liquiditätsbooster keine gute Nachricht. Am Freitag stufte DBRS Morningstar, die viertgrösste Kreditratingagentur der Welt, das Rating der Credit Suisse auf «BBB» zurück.

Doch macht eine Fusion mit der UBS überhaupt Sinn? Die Antwort darauf ist kompliziert. Klar scheint, dass eine vollständige Übernahme und Integration der Credit Suisse kaum funktionieren würde und sogar die UBS in Gefahr bringen könnte.

Die grössten Verdauungsprobleme würde der UBS die Investmentbanking-Abteilung bereiten. Laut Kian Abouhossein, einem der weltweit bekanntesten Beobachter der Bankenbranche, müsste die Einheit komplett abgewickelt werden. Er schätzt die Kosten auf 30 Milliarden Franken. Wer soll das bezahlen? Wird es eine Art Bad Bank geben, für die der Bund garantieren würde? Oder sollen dafür Gläubiger der CS aufkommen, die sogenanntes Bail-in-Kapital eingeschossen haben, das für den Krisenfall vorgesehen ist?

Im Heimmarkt wären die Probleme lösbar. Die Schweizer Einheit der Credit Suisse müsste aus kartellrechtlichen Gründen über einen Börsengang verselbständigt werden. Die Marke Credit Suisse könnte bestehen bleiben. Analysten schätzen den Wert der CS Schweiz auf mindestens zehn Milliarden Franken – also deutlich mehr als der Konzern heute wert ist. Am Freitagabend wurde die CS-Gruppe mit 7,4 Milliarden Franken bewertet.

Behalten würde die UBS letztlich das Wealth Management, also die Verwaltung von Privatvermögen, sowie das Assetmanagement, die Verwaltung von institutionellem Vermögen. Die Grossbank könnte damit ihre Stellung als grösste Vermögensverwalterin der Welt ausbauen. Zumindest in der Theorie. Denn es gibt Gründe, warum reiche Kunden zur CS gingen und nicht zur UBS. Sie suchten oft nach ausgefeilten und risikoreichen Anlagemöglichkeiten, die ihnen die UBS nicht bieten kann. Ob diese zum Teil sehr vermögenden Unternehmerfamilien bei der UBS glücklich werden, ist eine offene Frage.

Kaum Alternativen

Was wären die Alternativen zu einer Fusion oder Teilfusion durch die UBS gewesen? Da eine Grossbank aus dem Ausland als Käuferin wegen der Dringlichkeit kaum mehr infrage gekommen war, wäre der Staat als letzter Retter übrig geblieben. Möglich wäre gewesen, dass die Nationalbank der CS noch stärker unter die Arme gegriffen hätte, indem die SNB der CS nicht nur Liquidität zur Verfügung gestellt, sondern sämtliche Kundeneinlagen garantiert hätte.

Die andere Variante: Sie hätte zusätzliches Kapital in die Bank einschiessen können. Das hätte der angeschlagenen Bank Zeit für die Restrukturierung gegeben. Gleichzeitig hätte die Stilllegung der Investmentbank durch einen Börsengang der Schweizer Einheit finanziert werden können. Die politischen Risiken erachtete man offenbar als zu gross. Wäre die Schweiz tatsächlich bereit gewesen, nochmals eine umfassende Staatsrettung wie bei der UBS durchzuexerzieren?

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Wie es auch immer herauskommt: Spätestens am Sonntagabend oder Montagmorgen vor Eröffnung der Börse dürfte Klarheit herrschen.

Das Verrückte an der Situation ist, dass die Bank trotz aller Dramatik weiterhin gut kapitalisiert ist und auch über genügend Liquidität verfügt. Das bestätigte die Finma letzte Woche.

Wenn dem tatsächlich so war, und es gibt keinen Grund daran zu zweifeln, warum wurde die Bank dann zum Spielball von Spekulanten, die mit sogenannten Leerverkäufen den Kurs in den Keller treiben konnten? Warum zogen dann so viele Einleger ihre Gelder ab?

Das ist eine Frage, für die es eigentlich nur eine logische Erklärung gibt: Die Kunden und Aktionäre haben das Vertrauen in die Bank und ihre Chefs komplett verloren. Niemand glaubte mehr, dass CEO Ulrich Körner (60) und Präsident Axel Lehmann (64) die Bank zum Erfolg hätten führen können.

Zerfall der Glaubwürdigkeit

Der Zerfall der Glaubwürdigkeit begann schon vor Jahren. Doch letzten Sommer setzte eine Dynamik ein, die nicht mehr gestoppt werden konnte. Lehmann und Körner verkündeten damals, dass jetzt alles anders werde. Sie versprachen einen radikalen Wandel und verschwanden dann drei Monate von der Bildfläche, um eine neue Strategie auszutüfteln. Die Gerüchte schossen ins Kraut. Als im Oktober Spekulationen über die Pleite der Bank kursierten, versuchten sie, Gegensteuer zu geben. Es war zu spät. Die Kunden hatten bereits über 80 Milliarden Franken abgezogen.

Axel Lehmann machte alles nur noch schlimmer, als er im Dezember Abflüsse beschönigte und deshalb in den Fokus der Finanzmarktaufsicht, der Finma, geriet. Den letzten Rest seiner Glaubwürdigkeit verlor er, als die CS vor zehn Tagen nach einer Intervention der US-Börsenaufsicht die Publikation des Geschäftsberichts verschieben musste. Zur tragischen Figur schliesslich wurde er diesen Mittwoch: Als der Aktienkurs um 30 Prozent einbrach, verkündete er an einer Konferenz in Saudi-Arabien, dass die Credit Suisse keine Staatshilfe brauche.

* Der Journalist Beat Schmid (54) schreibt im SonntagsBlick über Finanzthemen. Er ist Herausgeber des Onlinemediums tippinpoint.ch

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