Swiss-Chef Thomas Klühr (56) hat wenig Grund zu klagen: Seine Airline fliegt Top-Zahlen ein, wächst in einem schwierigen Umfeld konstant. Und trotzdem – oder vielleicht ist das ja gerade der Schlüssel zum Erfolg – ist er auch in diesen guten Zeiten für sein Unternehmen nicht zufrieden. In einem Interview mit der Tourismus-Zeitschrift «Travel Inside» äussert er sich zur viel geäusserten Kritik an der angeblich nicht vorhandenen Swissness der Swiss.
«Für mich ist es unglaublich, dass das immer wieder in Frage gestellt wird. Ich glaube, es gibt wenige Unternehmen, die so schweizerisch geprägt sind», sagt der Deutsche. An Bord arbeite man stark mit Schweizer Unternehmen zusammen. In den Lounges fänden die Gäste Schweizer Möbel. Alle Maschinen seien in der Schweiz beheimatet und 70 Prozent der Mitarbeiter seien Schweizer.
Hintergrund für den Frust: Immer wieder wird kritisiert, dass die Swiss, nachdem sie aus den Trümmern des Nationalsymbols Swissair auferstanden war, 2007 an den deutschen Lufthansa-Konzern verkauft wurde. Für ein Butterbrot von 310 Millionen Franken, sagen heute einige. Zum Vergleich: 2017 alleine betrug der operative Gewinn der Swiss, über den sich die Mutter Lufthansa freuen durfte, auf 561 Millionen Euro (BLICK berichtete).
Billigflieger auf Langstrecke kein Problem
Dagegen gibt sich Klühr beim Thema Billigflieger auf Langstreckenflügen gelassen. Er fürchte sich nicht vor neuer Konkurrenz. Das Konzept von Billigfluglinien lasse sich nicht deckungsgleich auf die Langstrecke übertragen, meinte der Swiss-CEO.
Die jüngsten Ankündigungen von geplanten Billigflügen auf Langstrecken vermögen den Chef der Schweizer Airline somit nicht zu schocken. Zwar hätten die etablierten Airlines dazumal das Thema Billigflüge auf Kurstrecken verschlafen, «aber die Erfolgskriterien, welche Low Coster auf der Kurzstrecke gross gemacht haben, lassen sich nicht 1:1 auf die Langstrecke übertragen», erklärte Klühr.
Denn bei kurzen Strecken seien die Low-Cost-Airlines in der Lage, ihre Flugzeuge deutlich länger in der Luft zu halten, was die Produktivität erhöhe. Bei Langstreckenflügen spiele dieser Vorteil aber nicht, erläuterte der Swiss-Chef. Hinzu käme, dass Kunden bei der Kaufentscheidung für Langstrecken höhere Erwartungen etwa beim Komfort hätten als bei kurzen Flügen. Daher werde das Thema «nicht das Ausmass erreichen, wie wir es auf der Kurzstrecke erlebt haben», resümierte Klühr.
900 neue Flight Attendants
Um mit der Airline weiter zu wachsen, setzt der oberste Swiss-Mitarbeiter neben dem «Swissness-Faktor» daher vor allem auf den Ausbau und die Modernisierung der eigenen Flotte: «Insgesamt investieren wir in einer Dekade 8 Milliarden Franken in die Flottenerneuerung.» Und die Nachfrage sei weiterhin hoch, weshalb die Swiss etwa im nächsten Jahr 900 neue Flight Attendants einstellen will.
Wenn die Swiss aber weiter wachsen soll, müsse auch die entsprechende Infrastruktur bereitgestellt werden, mahnte Klühr an. Dies sei vorrangig ein europäisches Problem: «Die noch schlechtere Nachricht: Auch in Zukunft ist nicht viel zu erwarten in», gab er sich ernüchtert.
Nur fünf bis sechs bleiben übrig
Der Flughafen Zürich versuche immerhin im Rahmen seiner Möglichkeiten Wachstum zu ermöglichen. Ohne grösseren politischen Druck reiche dies aber nicht aus: «Wenn wir es nicht schaffen, die Infrastruktur schneller und nachfragegerechter anzupassen, dann wird das Wachstum dort stattfinden, wo es möglich ist», warnte Klühr.
Generell dürfte der Wettbewerb unter Fluglinien laut des Swiss-Chefs noch härter werden: «Die Insolvenzen in den letzten Wochen haben mich nicht überrascht», meinte er zur Marktlage. Ohne eine Anbindung an einen grossen Konzern, wie die der Swiss an die Lufthansa-Gruppe, sei es sehr schwierig zu bestehen: «Es werden fünf bis sechs grosse Carrier übrig bleiben in Europa», lautet seine Prognose. (kst/SDA)