Schweiz ist dabei
EU-Forschungsflaggschiff lotet neue Grenzen aus

Europa will sich bei der zweiten Quantenrevolution einen Spitzenplatz sichern und investiert eine Milliarde Euro: Das neue EU-Flaggschiffprogramm soll helfen, neue Technologien zur Marktreife zu bringen. Die Schweiz ist zentral beteiligt.
Publiziert: 29.10.2018 um 14:06 Uhr
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Aktualisiert: 29.10.2018 um 14:49 Uhr
Atomare Dampfzellen stellen die quantentechnologischen Grundbausteine für neue Hochleistungs-Sensoren dar.
Foto: CSEM

Eine Revolution ist im Gange, eine Revolution der Quantentechnologie. Es ist bereits die zweite ihrer Art: Die erste ebnete den Weg für Computer, Handy, Internet und Bildgebungsverfahren in der Medizin. Das lässt erahnen, welche Umbrüche die zweite Quantenrevolution mit sich bringen könnte.

Ein globaler Wettlauf ist daher um die Spitzenplätze in Sachen Quantentechnologie entbrannt. China und die USA investieren massiv in Forschung und Entwicklung in diesem Bereich. Nun fiel am Montag in Wien der Startschuss für ein Flaggschiffprogramm der EU, damit Europa sich in diesem Wettlauf einen Spitzenplatz sichert.

Eine Milliarde Euro für einen Zeitraum von zehn Jahren sind budgetiert. Von 141 Vorschlägen hat die Europäische Kommission 20 ausgewählt. Diese erhalten in der Startphase von drei Jahren zunächst 132 Millionen Euro, um die Quantenforschung Europas an die vorderste Front zu bringen. Die übrigen 868 Millionen Euro sollen in Projekte der zweiten Phase von sieben Jahren fliessen.

Bereits jetzt spielt die akademische Forschung in der Schweiz und anderen europäischen Ländern in diesem Bereich ganz vorne mit. Prototypen von Quantentechnologien harren in Laboren der Vermarktung, wie es auf der Projekt-Website des Flaggschiffprogramms heisst. Ziel ist daher - neben Förderung der Grundlagenforschung - die Übersetzung der Forschungsergebnisse in kommerzielle Anwendungen voranzutreiben und den Grundstein für eine wettbewerbsfähige Quantenindustrie Europas zu legen.

Mögliche Anwendungen aus den Errungenschaften des Programms sind neue Sensoren für Medizin und selbstfahrende Autos, deren Messfähigkeiten möglicherweise nur noch von den durch die Naturgesetze vorgegebenen Möglichkeiten begrenzt werden. Neue Verschlüsselungstechnologien könnten eine neue Generation abhörsicherer Kommunikation und sicherer Online-Transaktionen einläuten, und Quantencomputer könnten das nahezu Unberechenbare berechenbar machen.

An mehreren der 20 ausgewählten Projekten sind auch Schweizer Forschende massgeblich beteiligt. Die ETH Zürich ist in sechs Projekte involviert, die Universitäten Basel und Genf jeweils in drei. Eines der Projekte wird auch von der Uni Genf koordiniert, eines vom Forschungszentrum CSEM in Neuenburg.

Beim Projekt macQsimal unter Koordination des CSEM und mit Beteiligung der Uni Basel geht es darum, Quantensensoren zu entwickeln, die auf atomaren Dampfzellen beruhen, wie die beiden Institutionen am Montag mitteilten.

Die neue Generation von Sensoren könnte die Grenzen des bisher Messbaren sprengen und riesige Fortschritte bei verschiedenen Technologien ermöglichen. «Ein neuer Sensortyp könnte zum Beispiel die 3D-Orientierung von selbstfahrenden Autos erheblich steigern oder die Messung der Hirnaktivität revolutionieren», erklärte CSEM-CEO Mario El-Khoury gemäss der Mitteilung.

Auch bei einem weiteren Projekt namens «AsteriQs», an dem die ETH Zürich und die Universität Basel beteiligt sind, geht es um neuartige Sensoren: Das Konsortium befasse sich mit den Quanteneigenschaften von hochreinen Diamanten, die als präzise Messsysteme für die Quantensensorik Verwendung finden, teilte die Uni Basel mit. Ziel sind hochpräzise Messungen von Temperatur, elektrischen und magnetischen Feldern mit Anwendungsmöglichkeiten in der Grundlagenforschung, Halbleiterelektronik und der medizinischen Diagnostik.

In dem von der Universität Genf koordinierten Projekt namens «QRANGE» (Quantum Random Number Generation) geht es um die Basis von Quanten-Verschlüsselungstechnologien für sichere Kommunikation und Online-Transaktionen, nämlich die Erzeugung zufälliger Zahlenreihen in Hochgeschwindigkeit. Die Idee sei, zusätzlich kostengünstige Anwendungen für den täglichen Gebrauch zu entwickeln und zu vermarkten, erklärte Projektkoordinator Hugo Zbinden von der Universität Genf gemäss einer Mitteilung seiner Hochschule.

Die 20 ausgewählten Projekten gliedern sich in die fünf Teilbereiche Grundlagenforschung, Quantenkommunikation, Quantensensorik und Metrologie, Quantenrechner und Quantensimulationen. Das Quanten-Flaggschiff folgt als drittes in der Flotte der EU-Forschungsprogramme «Future and Emerging Technologies», nach dem «Human Brain Project» mit dem Ziel, das Gehirn zu simulieren, und dem «Graphene Flagship», das Eigenschaften und Anwendungen des zukunftsträchtigen Materials Graphen erforscht. (SDA)

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