Provisionsgelder warten auf Pensionskassen – aber keiner will sie
Holt die Milliarden!

Vorsorgeeinrichtungen könnten für ihre Versicherten Milliarden Franken Provisionen zurückfordern. Tun sie es nicht, machen sie sich möglicherweise strafbar. Trotzdem bleiben viele untätig.
Publiziert: 08.04.2018 um 22:00 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 16:02 Uhr
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Hubert Schwärzler schätzt, dass Pensionskassen und Private von Banken Milliarden fordern könnten.
Foto: Thomas Meier
Harry Büsser

Für die Versicherten geht es um Milliarden. Doch auf die Frage, ob ihre Pensionskasse Provisionen von Vermögensverwaltern zurückfordert, reden sich viele Stiftungsräte immer noch heraus: «Retrozes­sionen? Keine Ahnung!»

Die Pensionskasse der Angestellten des Kantons Zürich (BVK) hat es vorgemacht. Vor wenigen Tagen erstritt sie vom US-Vermögenserwalter Jefferies vor Gericht Rück­forderungen in Höhe von 20 Millionen Franken.

Retrozessionen (Retros) sind Provisionen, die Vermögensverwalter kassieren, wenn sie beispielsweise Fonds oder strukturierte Produkte verkaufen. Seit das Bundesgericht vor Jahren entschieden hat, dass sie dazu nicht in allen Fällen berechtigt sind, können Kunden – Pensionskassen und Private – diese Gelder zurückfordern.

Ansprüche verjähren nach zehn Jahren

Auf Grundlage von Zahlen der Bankiervereinigung hat die Zuger Beratungsfirma ­Finalix errechnet, dass die Finanzbranche bisher an Retros 4,2 Milliarden Franken pro Jahr verdiente. Allerdings: Die Ansprüche verjähren nach zehn Jahren. «Jeder Tag zählt», sagt Hubert Schwärzler, der sich mit seiner Firma Liti-Link AG auf Retro-Rückforderungen spezialisiert hat. Er schätzt, dass Schweizer Pensionskassen noch über zwei Milliarden Franken zugute hätten; ein ähnlich hoher Betrag stehe Privatanlegern zu.

Doch trotz der hohen Summen, um die es geht, wird dem Thema wenig Beachtung geschenkt. Für die ­Vorsorgeeinrichtungen ist das gefährlich. «Wenn die Führungsorgane einer Pensionskasse deren Ansprüche nicht geltend machen, ist das ungetreue Geschäftsbesorgung», sagt Monika Roth, Professorin für Finanzmarktrecht und Dozentin am Institut für Finanzdienstleistungen in Zug.

Stiftungsräte und Geschäftsführung könnten sich durch Nichtstun strafbar machen. Aber, so die Juristin weiter: «Es wäre auch an den Versicherten, bei den Stiftungsräten nachzufragen, ob Retrozessionen zurückgefordert wurden.»

Retrozessionen fallen auch bei einfachen Börsentransaktionen an

Hubert Schwärzler von Liti-Link glaubt, dass die meisten grösseren Pensionskassen inzwischen tätig geworden sind. Doch unter den insgesamt 1700 Kassen seien auch viele kleine. Und denen fehlten meist die Ressourcen, um ihre legitimen Interessen durchzusetzen.

Retrozessionen fallen indes nicht nur beim Verkauf von Finanzprodukten an, sondern auch bei einfachen Börsentransaktionen.
So geht es etwa aus der Aufstellung eines Kunden hervor, die SonntagsBlick vorliegt. Für den Verkauf von 1000 Aktien des Schweizer Nahrungsmittelkonzerns Nestlé zahlte der Betreffende über 400 Franken an seinen Vermögensverwalter. Der aber platzierte den Verkaufsauftrag wiederum bei einem anderen Dienstleister und erhielt dafür von diesem etwas mehr als 200 Franken Vermittlungsprovision.

Einträgliches Geschäft

Auch solche Provisionen hat Schwärzler für seine Auftraggeber schon erfolgreich zurückgefordert. Im vorliegenden Fall mussten dem Kunden über 74'000 Franken erstattet werden.

Auf Schwärzlers Website www.litilink.com findet sich ein Rückforderungsrechner. Bei einem durchschnittlichen Anlagebetrag von 100'000 Franken resultiert dort eine mögliche Rückforderung von über 4000 Franken.

Rückforderungen sind für Schwärzler ein einträgliches Geschäft. Seine Firma arbeitet auf Basis einer Erfolgsbeteiligung: Pensionskassen treten 20 Prozent der zurückerstatteten Retros ab, Private 35 Prozent.

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