OVS verhandelt Mieten neu, schliesst Shops, stresst Mitarbeiter
Jetzt kommt der Charles-Vögele-Retter selber in Not

OVS will tiefere Mieten für seine Filialen. Die Vermieter sollen ihren Beitrag leisten, damit die Kleiderkette die Krise im Detailhandel übersteht. Das ist nicht die einzige Baustelle, auch die Mitarbeiter sind nicht grundlos unzufrieden.
Publiziert: 18.04.2018 um 23:38 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 00:40 Uhr
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OVS-Chef Stefano Beraldo ist als Retter von Charles Vögele angetreten.
Foto: Thomas Meier
Patrik Berger

OVS-Chef Stefano Beraldo (61) hatte grosse Pläne mit den 147 kriselnden Charles-Vögele-Filialen, die seine italienische Modekette Ende 2016 übernommen hatte. «Ich will 150 bis 200 Jobs schaffen», versprach er in einem BLICK-Interview. Der Italiener liess sich als Retter von Vögele feiern. «Ältere Mitarbeiter dürfen bleiben. Wir wollen niemanden entlassen, weil er alt ist.»

Doch jetzt steckt OVS offenbar in grösseren Schwierigkeiten. BLICK weiss von mehreren unabhängigen Quellen, dass die Italiener verschiedene Vermieter von Vögele-Ladenflächen angeschrieben haben. Sie fordern teils massive Mietzinsreduktionen für ihre Filialen. Das Schreiben kam aus der Teppichetage von OVS. Unterzeichnet hat es laut BLICK-Informationen die Geschäftsleitung.

Erst das Personal, dann die Mieten

Wie schlecht steht es wirklich um OVS in der Schweiz? Als Erstes haben die Italiener beim Personal den Rotstift angesetzt und am Hauptsitz in Pfäffikon SZ fast 300 Angestellte entlassen. Dieses Sparpotenzial ist erschöpft. Deshalb versucht OVS nun, mit tieferen Mieten die Kosten zu drücken.

Etwa in Rheinfelden AG: Im Internet ist das OVS-Ladenlokal bereits ausgeschrieben, der Mietzins beträgt 6450 Franken für 350 Quadratmeter. «Es ist ein Skandal, dass die Angestellten der Filiale in Rheinfelden auf Homegate erfahren müssen, dass ihr Job gefährdet ist», sagt Unia-Gewerkschafter Arnaud Bouverat (38) zu BLICK.

Er kennt noch einen weiteren Fall: «Wir haben eben erst erfahren, dass die Filiale im freiburgischen Düdingen per Ende April schliesst», sagt er. Die Verunsicherung beim Personal sei gross. «Es gibt keine transparente Kommunikation. Das Management von OVS ist chaotisch.»

Machen weitere Läden dicht?

Der Gewerkschafter befürchtet, dass noch weitere Läden verschwinden werden, solche, die schon unter der Führung von Charles Vögele in Gefahr waren. Branchenkenner gehen davon aus, dass es bald zum «grossen Knall» kommen könnte. Ziehen sich die Italiener sogar ganz aus der Schweiz zurück?

Ein OVS-Sprecher wiegelt ab: «Es bestehen keinerlei Pläne, dass sich die Marke OVS aus der Schweiz zurückzieht», sagt er. Der Detailhandel in der Schweiz stehe aber vor grossen Herausforderungen. «Als Teil eines permanenten Prozesses, die Kostenstrukturen auf ein tragfähiges Niveau zu senken, das profitables Arbeiten erlaubt, sind wir mitunter auf die Vermieter der Ladengeschäfte zugegangen. Wir haben sie aufgerufen, ihren Beitrag zu leisten», bestätigt er die BLICK-Informationen. Läuft es darauf hinaus, dass OVS bald nur noch einen Onlineshop bei uns betreibt?

Die meisten Vermieter haben laut dem OVS-Sprecher Verständnis für diese Situation. «In den Fällen, wo sich keine Lösung findet und ein Laden geschlossen oder verlegt werden würde, wird das Personal selbstverständlich rechtzeitig orientiert», verspricht er.

«Arbeitsbedingungen haben sich verschlechtert»

Das Personal leidet derzeit nicht nur unter der Ungewissheit, ob ihre Filiale erhalten bleibt. Auch die Arbeitsbedingungen machen ihnen zu schaffen. «OVS versucht, so wenige Stellen wie möglich in der Schweiz zu haben. Darum liefern sie zum Beispiel direkt aus Italien», sagt Gewerkschafter Bouverat.

Das hat Folgen für die verbleibenden Angestellten. «Die Arbeitsbedingungen haben sich massiv verschlechtert, seit die Italiener Charles Vögele übernommen haben. Viele Angestellte beklagen sich über Stress, dass sie Überstunden leisten müssen. Die Krankheitsfälle haben zugenommen», weiss Bouverat.

Was sagen die Italiener zu den happigen Vorwürfen? Die Antwort aus Milano fällt dünn aus. «Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt, können wir uns nicht dazu äussern. Es stimmt hingegen sicher nicht, dass sich die vertraglichen Arbeitsbedingungen verschlechtert haben», sagt der Sprecher. Wie die Realität aussieht, ist ein anderes Kapitel.

Die erste digitale Umkleidekabine der Schweiz

Ende Oktober sind die Filialen von Charles Vögele endgültig Geschichte. Violett weicht Weiss. Die OVS-Läden sollen heller, moderner und digitaler sein. So werden etwa im Flagshipstore nahe der Zürcher Bahnhofstrasse und in der Filiale in Bern eine digitale Umkleidekabine stehen, der sogenannte Magic Fitting Room.

Bildschirm statt Spiegel

BLICK hat einen solche Umkleidekabine in Mailand (I) inspiziert. Statt eines Spiegels gibt es einen mannshohen Bildschirm. Auf diesem können sich Kunden auch von hinten betrachten – und sehen, ob die Kleider von allen Seiten passen. Sie können Fotos schiessen und diese auf den sozialen Medien teilen. Zudem gibt es in den beiden Filialen einen sogenannten Interactive Kiosk – eine Station, bei der Kunden beispielsweise ein Etikett scannen können und weitere Informationen über das Kleidungsstück erhalten. Etwa in welcher Filiale es noch welche Grössen gibt. Man kann sich aber auch direkt ein Kleidungsstück in eine Filiale oder nach Hause bestellen.

Fokus auf Familie

Von der Konkurrenz abheben will sich OVS nicht nur digital, sondern auch mit seinen Kollektionen. «Wir sind besonders stark bei Kinderkleidern und fokussieren auf die Familie», sagt OVS-Chef Stefano Beraldo. Preislich ist OVS tiefer als Zara und vergleichbar mit H&M. 

In der digitalen Umkleidekabine können Kunden einstellen, von welcher Seite sie sich sehen wollen.
Thomas Meier

Ende Oktober sind die Filialen von Charles Vögele endgültig Geschichte. Violett weicht Weiss. Die OVS-Läden sollen heller, moderner und digitaler sein. So werden etwa im Flagshipstore nahe der Zürcher Bahnhofstrasse und in der Filiale in Bern eine digitale Umkleidekabine stehen, der sogenannte Magic Fitting Room.

Bildschirm statt Spiegel

BLICK hat einen solche Umkleidekabine in Mailand (I) inspiziert. Statt eines Spiegels gibt es einen mannshohen Bildschirm. Auf diesem können sich Kunden auch von hinten betrachten – und sehen, ob die Kleider von allen Seiten passen. Sie können Fotos schiessen und diese auf den sozialen Medien teilen. Zudem gibt es in den beiden Filialen einen sogenannten Interactive Kiosk – eine Station, bei der Kunden beispielsweise ein Etikett scannen können und weitere Informationen über das Kleidungsstück erhalten. Etwa in welcher Filiale es noch welche Grössen gibt. Man kann sich aber auch direkt ein Kleidungsstück in eine Filiale oder nach Hause bestellen.

Fokus auf Familie

Von der Konkurrenz abheben will sich OVS nicht nur digital, sondern auch mit seinen Kollektionen. «Wir sind besonders stark bei Kinderkleidern und fokussieren auf die Familie», sagt OVS-Chef Stefano Beraldo. Preislich ist OVS tiefer als Zara und vergleichbar mit H&M. 

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