Nicht alle Firmen knausern
Wo die Löhne 2018 steigen

Es gibt sie, die positiven Firmenbeispiele, wo die Mitarbeiter vom Aufschwung profitieren und die Löhne überdurchschnittlich steigen. Darunter sind auch bekannte Namen wie Feldschlösschen, Lindt & Sprüngli und die Rhätische Bahn.
Publiziert: 14.12.2017 um 23:29 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 18:17 Uhr
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Bei Feldschlösschen stossen die Mitarbeiter auf ihre Lohnerhöhung an: Leiter Logistik Thomas Stalder (54), Braumeister Garlef Tietje (44), Facility Manager Valentin Dillier (42), Getränkebetriebsmitarbeiter Robert Widmann (48), Teamleiter Produktionsplanung Fabbio Longone (36) und Gaby Gerber (45), Leiterin der Unternehmenskommunikation.
Foto: STEFAN BOHRER
Harry Büsser

Die Prognostiker der UBS rechnen damit, dass die Löhne in der Schweiz im nächsten Jahr im Durchschnitt nur um 0,7 Prozent erhöht werden. BLICK forderte die Chefs gestern dazu auf, die Löhne deutlicher zu erhöhen. Heute zeigen wir, dass es positive Beispiele von Unternehmen gibt, wo die Löhne um mindestens ein Prozent oder mehr steigen. 

Lohnerhöhung nach Branchen.
Foto: BLICK

Dazu gehört beispielsweise Feldschlösschen. Bei der Bierfirma stossen die Mitarbeiter auf ihre Lohnerhöhungen an, die zwischen 1,2 und 2,5 Prozent liegen. Auch beim Aromastoffhersteller Givaudan und in der Reinigungsbranche werden die Arbeitnehmer gut am Aufschwung beteiligt. Zu Recht, denn im nächsten Jahr soll die Wirtschaft um zwei Prozent wachsen, die Arbeitslosenrate auf drei Prozent fallen und der Euro gegen die Marke von 1.20 Franken steigen. 

Wegen der guten Wirtschaftsentwicklung sind die meisten BLICK-Leser überzeugt, dass die Löhne jetzt steigen müssen. In den Kommentaren auf Blick.ch ist die Zustimmungsrate sehr hoch, aber es gibt auch Kritikpunkte. Auf diese will BLICK hier eingehen.

Kritik 1: Die Löhne sind schon hoch

«Glücklicherweise sind die Löhne in der Schweiz schon hoch, aber das ist kein Grund gegen Lohnerhöhungen. Die Löhne sollen auch hoch bleiben», sagt Franz Jaeger (76), ehemaliger Nationalrat und Professor für Ökonomie an der Universität St. Gallen. 

Kommt hinzu: In den vergangenen drei Jahren stiegen die Löhne in Deutschland sogar leicht stärker (0,9 Prozent) als bei uns, wie der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) berechnet hat. Die Schweiz als Verliererland? Das kann nicht im Sinn der Wirtschaftskapitäne sein. 

Kritik 2: Über die Pensionskassen profitieren Arbeitnehmer auch von der Börsenhausse

Tatsächlich sind Lohnempfänger über ihre Pensionskassen auch an den Börsen investiert. Allerdings haben die Arbeitnehmer diese Pensionskassengewinne sofort wieder hergeben müssen, weil ihnen die Umwandlungssätze bei den Pensionskassen gesenkt wurden. Dadurch ist, vereinfacht gesagt, jeder Franken bei der Pensionskasse weniger wert geworden. Dieser Effekt übersteigt die Börsengewinne.

Ein Beispiel:
Der Arbeitnehmer Peter Muster hat 100'000 Franken Vermögen bei der Pensionskasse. Sein Umwandlungssatz beträgt 6,5 Prozent. Das heisst, sein Kapital bei der Pensionskasse wird in eine jährliche Rente von 6500 Franken pro Jahr umgewandelt (6,5 Prozent von 100'000 Franken). 
Jetzt steigt sein Vermögen bei der Pensionskasse dank Börsengewinnen auf 110'000 Franken. Gleichzeitig sinkt aber sein Umwandlungssatz auf 5 Prozent. Trotz Börsengewinnen resultiert nur noch eine jährliche Rente von 5500 Franken – also 1000 Franken weniger, trotz Börsengewinnen.

Kritik 3: Reiche profitieren gar nicht von den tiefen Zinsen der Schweizerischen Nationalbank

Doch. Denn wenn sie ihr Geld nicht parkieren, sondern anlegen, können sie sich freuen. «Die Geldpolitik der Nationalbanken hat auch Nebenwirkungen. Man kann nicht abstreiten, dass die reichsten Schweizer über die Börsenkurse davon profitiert haben», sagt George Sheldon (69), emeritierter Professor für Arbeitsmarkt- und Industrieökonomie an der Universität Basel.

Kritik 4: Wenn die Produktivität nicht steigt, sollten auch die Löhne nicht steigen

Es gibt immer mehr Arbeitsplätze in Berufen und Branchen, die eher nicht vom Wirtschaftswachstum abhängen. «Spitäler entlassen keine Ärzte, weil sich die Konjunktur abschwächt, Gleiches gilt für Unterrichtsberufe oder in der Forschung und Entwicklung bei Pharmafirmen», sagt George Sheldon. Gerade in den konjunkturunabhängigen Berufen ist die Produktivität aber tendenziell gering. Deswegen hätten diese Berufe aus rein ökonomischer Sicht auch nicht unbedingt Lohnerhöhungen verdient.

Dem widerspricht aber ausgerechnet der Ökonomieprofessor Franz Jaeger. «Der Lohn für Arbeitnehmer ist auch ein sozialer Stabilisierungsfaktor. Deswegen ist es in gewissen Fällen sogar so, dass die Löhne auch etwas stärker als die Produktivität steigen dürfen», sagt er. Dies sei vor allem im Binnenmarkt der Fall, etwa im Pflegebereich, wo die Produktivität gewollt eher tief sei. «Im Pflegebereich will man, dass die Leute Zeit haben und deswegen auch nicht so produktiv sind», erklärt Jaeger. Eine Pflegerin könnte etwa, statt zehn Minuten bei einem Patienten zu verweilen, nur noch fünf Minuten dafür aufwenden. Sie wäre dann doppelt so produktiv, aber das wäre kaum Sinn der Sache. Auch Roboter als Pfleger einzusetzen, wäre zwar möglich, würde aber kaum die Qualität des Pflegeservice verbessern – wenn man davon ausgeht, dass die Pflegefälle menschliche Kontakte brauchen.

Nicht Kapital, sondern Konsum

Kommentar von Wirtschaftschef Harry Büsser

Kapital ist schon lange billig. Die Schweizerische Nationalbank sorgt dafür. Sie hofft dadurch, das Wirtschaftswachstum anzuheizen. Doch das hat Nebeneffekte: Die tiefen Zinsen haben vor allem die Börsen und die Immobilienpreise befeuert. Der Konsum köchelt aber auf kleiner Flamme.

Was der Wirtschaft fehlt, ist nicht Investitionskapital, sondern die Nachfrage der Konsumenten. Wenn diese mehr Geld bekämen, würden sie mehr einkaufen. Lohnerhöhungen würden genau das bewirken.

Dieser Effekt ist besonders stark, wenn die unteren Einkommensschichten bedacht werden. Vom Zusatzeinkommen geben sie einen grösseren Anteil aus als die oberen Einkommensschichten. Darum sind generelle Lohnerhöhungen jetzt richtig. Denn davon profitieren die unteren Einkommensschichten am meisten – und damit die ganze Volkswirtschaft.

Harry Büsser, BLICK-Wirtschaftsredaktor
Harry Büsser, BLICK-Wirtschaftsredaktor

Kommentar von Wirtschaftschef Harry Büsser

Kapital ist schon lange billig. Die Schweizerische Nationalbank sorgt dafür. Sie hofft dadurch, das Wirtschaftswachstum anzuheizen. Doch das hat Nebeneffekte: Die tiefen Zinsen haben vor allem die Börsen und die Immobilienpreise befeuert. Der Konsum köchelt aber auf kleiner Flamme.

Was der Wirtschaft fehlt, ist nicht Investitionskapital, sondern die Nachfrage der Konsumenten. Wenn diese mehr Geld bekämen, würden sie mehr einkaufen. Lohnerhöhungen würden genau das bewirken.

Dieser Effekt ist besonders stark, wenn die unteren Einkommensschichten bedacht werden. Vom Zusatzeinkommen geben sie einen grösseren Anteil aus als die oberen Einkommensschichten. Darum sind generelle Lohnerhöhungen jetzt richtig. Denn davon profitieren die unteren Einkommensschichten am meisten – und damit die ganze Volkswirtschaft.

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