Kryptowährungen als Reputationrisiko?
Die Schweiz gefährdet ihren Ruf

Die USA sehen virtuelle Währungen als Gefahr. Auch Washingtons Finanzminister Steven Mnuchin warnt vor ­deren mangelnder Transparenz.
Publiziert: 21.01.2018 um 22:36 Uhr
|
Aktualisiert: 12.09.2018 um 23:40 Uhr
Kryptowährungenaffin: Bundesrat Johann Schneider-Ammann.
Foto: Keystone
1/4
Christian Kolbe

Sucht der Bösewicht im Hollywood-Film nach einem Versteck für seine Beute, wählt er meist das anonyme Nummernkonto bei einer Schweizer Bank.

Obwohl solche Konten nicht mehr existieren, hält sich das Klischee – auch in Washington: In ­einem Interview mit dem Informationsdienst Bloomberg warnte US-Finanzminister Steven Mnuchin diese Woche davor, die Kryptowährung Bitcoin könnte zum neuen «Schweizer Nummernkonto» werden. Einzig die USA gewährleisteten volle Transparenz auf dem Finanzplatz, weil sie alles über ihre Kunden wissen wollen, strich Mnuchin heraus.

In der Schweiz sollten die Alarmglocken läuten: Der US-Finanzminister ist nicht der Einzige, der den guten Ruf des Finanzplatzes in Gefahr sieht: Im Interview mit BLICK (Ausgabe von morgen Montag) sieht der US-Starökonom und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz (74) ein Reputationsrisiko auf die Eidgenossenschaft zukommen: «Ja, ganz sicher. Viele wollen Bitcoin verbieten, nur die Schweiz macht das Gegenteil. Wir reden hier über Steuerhinterziehung, Terrorismus, Geldwäsche: Dinge, mit denen man nicht in Verbindung stehen will.»

Schneider-Ammann macht Werbung

Der Schweizer Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann gibt sich unbeeindruckt. Er warb diese Woche sogar offensiv für Kryptowährungen und die dahinterstehende Blockchain-Technologie.

An der Crypto Finance Conference St. Moritz skizzierte der Freisinnige seine Vision: «In fünf oder zehn Jahren sollen die Leute von der Krypto-Nation Schweiz sprechen.»

Auf Reputationsrisiken angesprochen, verteidigte sich der Wirtschaftsminister am Rande des World Web Forums im Schweizer Fernsehen mit den Worten: «Ja, es ist nicht risikofrei.» Aber wolle man völlig risikofrei durch die Welt gehen, eröffneten sich auch keine Chancen mehr.

Bitcoin machte dieses Woche einmal mehr Schlagzeilen – diesmal negative: Der Kurs der digitalen Währung fiel stark, ein Bitcoin ist heute rund 8000 Franken weniger wert als noch auf dem Höchststand im Dezember.

Der Grund für den Kurssturz: Viele asiatische Staaten sind ex­trem skeptisch gegenüber Kryptowährungen: Südkorea zum Beispiel will alle lokalen Handelsplattformen dafür schliessen.

Nur die USA haben mehr Kryptos

Die Schweiz hingegen gilt als Vorreiterin der virtuellen Währungen: Wie die Unternehmensberatung PwC auf Anfrage von SonntagsBlick berechnet hat, belegte unser Land bei der Neuausgabe mit einem Investitionsvolumen von über 800 Millionen im letzten Jahr Platz zwei hinter den USA.

Genau in dieser Vorreiterrolle könnte das Problem liegen. Der Schweizer Finanzprofessor Alfred Mettler (57) lehrt an der University of Miami. Die Aussage von US-­Finanzminister Mnuchin findet er zwar «plakativ und ungeschickt».

Doch Mettler hat auch eine Vermutung, warum unser Land am Pranger steht: «Die Schweiz war bis jetzt nicht als Vorreiterin für unreife Technologien bekannt. Dass sie nun ausgerechnet bei den Kryptowährungen vorprescht, das passt auf den ersten Blick nicht ganz zum Land. «Mol luege», so der Professor aus Florida, wäre wohl in diesem Falle «zielführender».

Wie schlecht der Ruf der Schweiz tatsächlich ist, darüber kann sich der Schweizer Finanzminister Ueli Maurer kommende Woche mit seinem Kollegen Mnuchin unterhalten. Der SVP-Magistrat wird dem US-Finanzminister am World Economic Forum in Davos persönlich begegnen.

Dank Bitcoin kennt jetzt jeder Blockchain

Kommentar von Christian Kolbe, Wirtschaftsredaktor

Der grosse Knall ist ausgeblieben: Die Bitcoin-Blase ist nicht geplatzt, hat aber mächtig Druck abgelassen. Der Wert eines Bitcoins fiel in dieser Woche um mehrere Tausend Franken. Vor allem in Asien mehren sich die Bedenken gegenüber Kryptowährungen, einige Staaten wollen den Handel mit virtuellen Währungen gleich ganz verbieten.

Auch hierzulande dürfte sich der eine oder andere hämisch darüber freuen, dass ein paar Spekulanten viel Geld verloren haben. Doch Häme ist ebenso fehl am Platz wie der Ruf nach Verboten.

Zwar weist die Bitcoin-Manie alle Elemente einer Spekulationsblase auf. Doch ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt, dass ökonomische Verbote nichts bringen – und auch früher nichts gebracht hätten. Im Februar 1637 konnte man in Amsterdam für eine Tulpenzwiebel ein Haus kaufen. Wenige Wochen später platzte die Mutter aller Spekula­tionsblasen – und Tulpenzwiebeln waren wieder so viel wert wie jene, die wir im Herbst im Garten vergraben, um uns im Frühling an der Blütenpracht zu erfreuen. Tulpenzwiebeln verbieten, um Spekulation zu verhindern? Eine triste Idee.

Als eine der letzten platzte im Jahr 2000 die sogenannte Dotcom-Blase. Die Krise riss viele frühe Internetfirmen in den Abgrund, über Nacht verwandelten sich Anlegerfanta­sien in Kapitalisten­albträume.

Riesige Werte wurden vernichtet, auch Kleinanleger verloren sehr viel Geld. Aber hätte man deshalb das Internet verbieten sollen? Neues wie die Kryptowährungen soll man besser nicht ver-, sondern zunächst richtig beurteilen.

Das Wort «krypto» kommt aus dem Griechischen, bedeutet verborgen oder geheim. Erst durch den Hype, der um die Kryptowährungen entstanden ist, offenbart sich eine neue Erkenntnis: die Bedeutung von Blockchain. Das ist die Technologie auf der die meisten Kryptowährungen aufbauen, eine endlose Reihe von Zahlen und Berechnungen.

Und das ist der wahre Wert von Bitcoin & Co.: Die ganze Welt redet über diese Technologie. Blockchain wird bleiben – egal, wie viele Krypto-Blasen noch platzen.

Kommentar von Christian Kolbe, Wirtschaftsredaktor

Der grosse Knall ist ausgeblieben: Die Bitcoin-Blase ist nicht geplatzt, hat aber mächtig Druck abgelassen. Der Wert eines Bitcoins fiel in dieser Woche um mehrere Tausend Franken. Vor allem in Asien mehren sich die Bedenken gegenüber Kryptowährungen, einige Staaten wollen den Handel mit virtuellen Währungen gleich ganz verbieten.

Auch hierzulande dürfte sich der eine oder andere hämisch darüber freuen, dass ein paar Spekulanten viel Geld verloren haben. Doch Häme ist ebenso fehl am Platz wie der Ruf nach Verboten.

Zwar weist die Bitcoin-Manie alle Elemente einer Spekulationsblase auf. Doch ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt, dass ökonomische Verbote nichts bringen – und auch früher nichts gebracht hätten. Im Februar 1637 konnte man in Amsterdam für eine Tulpenzwiebel ein Haus kaufen. Wenige Wochen später platzte die Mutter aller Spekula­tionsblasen – und Tulpenzwiebeln waren wieder so viel wert wie jene, die wir im Herbst im Garten vergraben, um uns im Frühling an der Blütenpracht zu erfreuen. Tulpenzwiebeln verbieten, um Spekulation zu verhindern? Eine triste Idee.

Als eine der letzten platzte im Jahr 2000 die sogenannte Dotcom-Blase. Die Krise riss viele frühe Internetfirmen in den Abgrund, über Nacht verwandelten sich Anlegerfanta­sien in Kapitalisten­albträume.

Riesige Werte wurden vernichtet, auch Kleinanleger verloren sehr viel Geld. Aber hätte man deshalb das Internet verbieten sollen? Neues wie die Kryptowährungen soll man besser nicht ver-, sondern zunächst richtig beurteilen.

Das Wort «krypto» kommt aus dem Griechischen, bedeutet verborgen oder geheim. Erst durch den Hype, der um die Kryptowährungen entstanden ist, offenbart sich eine neue Erkenntnis: die Bedeutung von Blockchain. Das ist die Technologie auf der die meisten Kryptowährungen aufbauen, eine endlose Reihe von Zahlen und Berechnungen.

Und das ist der wahre Wert von Bitcoin & Co.: Die ganze Welt redet über diese Technologie. Blockchain wird bleiben – egal, wie viele Krypto-Blasen noch platzen.

Mehr
Punktesammeln mit Blockchain

Dank Blockchain-Technologie soll sich das Sammeln von Treuepunkten doppelt lohnen. So die Idee des Zuger Start-ups Qiibee. Dieses will Treuepunkte diverser Anbieter auf einer Plattform bündeln, die Punkte in eine Art virtuelle Währung umwandeln. Konkret: Qiibee wird basierend auf der Blockchain-Technologie eine eigene Kryptowährung – einen sogenannten Coin – herausgeben. Der Vorteil: Künftig könnten dank solcher Coins die Kunden des Detailhändlers mit ihren Treuepunkten auch im Möbelhaus einkaufen – oder mit den gesammelten Meilen am Flughafen einen Kaffee bezahlen. Gewinnt der Coin zudem an Wert, profitieren die Kunden zusätzlich. Dazu müssen sich aber möglichst viele Firmen an diesem neuartigen Kundenbindungsprogramm beteiligen. Einen ersten Partner hat Qiibee nun gefunden: den Kaffee-Milch-Getränke Produzenten Lattesso.

Dank Blockchain-Technologie soll sich das Sammeln von Treuepunkten doppelt lohnen. So die Idee des Zuger Start-ups Qiibee. Dieses will Treuepunkte diverser Anbieter auf einer Plattform bündeln, die Punkte in eine Art virtuelle Währung umwandeln. Konkret: Qiibee wird basierend auf der Blockchain-Technologie eine eigene Kryptowährung – einen sogenannten Coin – herausgeben. Der Vorteil: Künftig könnten dank solcher Coins die Kunden des Detailhändlers mit ihren Treuepunkten auch im Möbelhaus einkaufen – oder mit den gesammelten Meilen am Flughafen einen Kaffee bezahlen. Gewinnt der Coin zudem an Wert, profitieren die Kunden zusätzlich. Dazu müssen sich aber möglichst viele Firmen an diesem neuartigen Kundenbindungsprogramm beteiligen. Einen ersten Partner hat Qiibee nun gefunden: den Kaffee-Milch-Getränke Produzenten Lattesso.

Mehr
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.