Konjunktur
Italien belastet Wachstumsaussichten in der Eurozone

Brüssel – Italiens populistische Regierung will unverhältnismässig viele neue Schulden machen, um Wahlkampfversprechen zu finanzieren. Die EU-Kommission sieht daher die Wirtschaftsentwicklung in ganz Europa belastet. Doch es gibt auch noch andere Risiken.
Publiziert: 08.11.2018 um 17:00 Uhr
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Aktualisiert: 08.11.2018 um 16:28 Uhr
Haushaltsstreit mit Italien und Brexit drücken auf das Wachstum: Die EU-Kommission senkt die Konjunkturprognosen für die Eurozone. (Symbolbild)
Foto: KEYSTONE/MARTIN RUETSCHI

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) werde im kommenden Jahr in den 19 Ländern der Eurozone um 1,9 Prozent zunehmen, teilte die Brüsseler Behörde am Donnerstag mit. Im Sommer war sie noch von 2,0 Prozent ausgegangen. Im Jahr 2020 soll sich das Wachstum dann gar auf 1,7 Prozent verlangsamen. Auch in Italien selbst sieht die Kommission düstere Entwicklungen.

Nach Jahren der Finanzkrise hatte das Wachstum im gemeinsamen Währungsgebiet im vergangenen Jahr ein Zehn-Jahres-Hoch erreicht (2,4 Prozent). In den Jahren zuvor hatten die Eurozone und Europa insgesamt noch mit schrumpfenden Volkswirtschaften und starker Verschuldung der öffentlichen Haushalte zu kämpfen.

Sämtliche europäischen Volkswirtschaften seien auf Wachstumskurs, erklärte nun EU-Finanzkommissar Valdis Dombrovskis - überdurchschnittlich etwa Polen, die Niederlande und Spanien. Zudem verzeichnet die Kommission eine ganze Reihe positiver Entwicklungen: Öffentliche Verschuldung und Arbeitslosigkeit in Europa sinken, privater Konsum und Investitionen ziehen an.

Allerdings: "Unsicherheiten und Risiken, innerhalb Europas und ausserhalb, nehmen zu und wirken sich negativ auf die Wirtschaftstätigkeit aus", sagte Dombrovskis. Zweifel über die Qualität der öffentlichen Finanzen in hoch verschuldeten Mitgliedstaaten könnten zudem auf die Banken übergreifen und das Wachstum weiter belasten.

Sorge bereitet vor allem Italien, das mit etwa 2,3 Billionen Euro Schulden (gut 132 Prozent des BIP) einen der grössten Schuldenberge der Welt aufweist. Die Regierung plant für 2019 deutlich höhere Ausgaben als ursprünglich mit den europäischen Finanzministern vereinbart. Die EU-Kommission hatte den ersten Budgetentwurf Roms daher in einem historisch einmaligen Vorgang zurückgewiesen.

Die Regierung in Rom ging dabei in ihren Plänen noch von einem Defizit von 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung für 2019 aus. Mit den Mehrausgaben sollen unter anderem höhere Pensionen und ein Mindesteinkommen finanziert werden. Brüssel erwartet nun aber im kommenden Jahr basierend auf diesen Plänen 2,9 Prozent Defizit.

Im Jahr 2020 dürfte die Neuverschuldung laut Kommission sogar auf 3,1 Prozent steigen. Rom würde damit noch die sogenannte Maastricht-Grenze reissen, wonach auch nicht übermässig verschuldete Länder eine Neuverschuldung von maximal drei Prozent des BIP aufweisen dürfen. Damit soll die Stabilität der Gemeinschaftswährung gesichert werden. Wegen seiner hohen Schuldenquote ist Italien nach Euro-Stabilitätsregeln eigentlich dazu verpflichtet, seine Gesamtverschuldung in den Griff zu bekommen.

Die Kommission gesteht in ihrer Prognose zwar zu, dass die angepeilten höheren Staatsausgaben das Wirtschaftswachstum Italiens etwas anheben dürften. Entsprechend erhöhte die Behörde ihre Wachstumsprognose für 2019 leicht um 0,1 Punkte auf 1,2 Prozent. Für 2020 rechnet sie mit 1,3 Prozent.

Zugleich warnte sie aber, dass ein Anstieg der Zinsen von Staatsanleihen die Banken und damit die Kreditversorgung belaste. Zudem bestehe die Gefahr, dass steigende Staatsausgaben zu einer Verdrängung privater Investoren führten.

Die Reaktion aus Rom folgte prompt. Dass die Kommissionsprognose in "deutlichem Kontrast" zu der italienischen stehe, sei auf eine "unaufmerksame und voreingenommene Analyse" von Seiten Brüssels zurückzuführen, erklärte Finanzminister Giovanni Tria. Trotz dieser "technischen Fehlleistung" werde man den Dialog mit der Kommission fortsetzen. Rom muss bis zum 13. November einen geänderten Budgetplan einreichen.

Doch jenseits dessen mehren sich die konjunkturellen Unsicherheitsfaktoren. Spannungen in den internationalen Handelsbeziehungen - vor allem mit US-Präsident Donald Trump und China - sowie die nach wie vor drohende Gefahr eines ungeregelten Brexits könnten Europas Wirtschaft noch deutlich stärker beeinflussen, mahnt die Kommission. Grossbritannien wird am 29. März die EU verlassen, die Austrittsverhandlungen laufen noch.

EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici appellierte an die Staaten, laufende Euro-Reformen voranzutreiben, um Europa besser für künftige Krisen zu wappnen. Vor allem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron trommelt dafür. Innerhalb der EU gehen die Gespräche über den Ausbau des Euro-Rettungsschirms ESM oder ein gemeinsames Sicherungssystem von Bankguthaben aber nur schleppend bis gar nicht voran. Die Staats- und Regierungschefs wollen bei ihrem Gipfeltreffen im Dezember hier Fortschritte erzielen.

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