BLICK: Wem tut der Bestellstopp mehr weh, Coop oder Nestlé?
Gotthard F. Wangler: Der Bestellstopp ist zwar ein gutes Druckmittel. Doch wird Coop mehr daran zu beissen haben als Nestlé.
Warum?
Wenn die Kundin unbedingt Thomy-Salatsaucen, Cailler-Schoggi, Nescafé oder Buitoni-Pizzen will und die bei Coop nicht im Regal findet, dann geht sie halt zur Konkurrenz. Und macht dort dann auch gleich ihren gesamten Einkauf. Das bedeutet Umsatzverluste für Coop, die schmerzen können.
Coop und in Deutschland Edeka fühlen sich vom Marken-Multi benachteiligt. Warum sind die Lieferkonditionen nicht für alle gleich?
Jedes Land hat andere Bedingungen wie Löhne, Kaufkraft und Nachfrage. In der Schweiz leisten sich die Detailhändler Konsumtempel. Wer so klotzt, kann auch mehr im Einkauf für die Produkte bezahlen, denkt sich wohl Nestlé.
Warum geht Coop mit dem Nestlé-Boykott in die Offensive?
Coop kann sich in der Öffentlichkeit als Anwalt der Konsumenten darstellen, der für tiefere Preise kämpft. Das wollen doch alle, weniger im Laden bezahlen. Dabei könnte der Konzern ohne Not fünf bis zehn Prozent runter mit den Preisen. Es würde immer noch genug Geld in der Kasse bleiben.
Hätte der Detailhändler das auch bei einem unbekannteren Marken-Hersteller gemacht?
Nein. Wenn Sie mich fragen, geht es beim Preiskrieg mit Nestlé nur ums Image. Das ist in erster Linie eine PR-Aktion vom ‹netten› Coop. Dadurch wird einmal mehr das Feindbild von Nestlé als böser und mächtiger internationaler Marken-Gigant verstärkt.
Ist diese Eskalation der Verhandlungen nicht schädlich fürs Geschäft?
In jedem Fall. Das gilt für beide Giganten. Der Preiskampf bindet Ressourcen, kostet Zeit und Geld. Ich möchte jetzt nicht die Überstunden der Einkäufer schieben müssen. Am Schluss zahlen wir Konsumenten dafür in Form von leeren Regalen oder späteren Preiserhöhungen bei anderen Produkten der Markenlieferanten.
Rechnen Sie mit einer Einigung?
Coop hat den Streit vom Zaun gebrochen. Würde der Detailhändler jetzt nachgeben, würden die Konsumenten sich über ihn lustig machen. Ich kann nicht verstehen, wieso man einen Preis-Streit wie diesen nicht wie üblich im stillen Kämmerlein austrägt. Dann wäre die Fallhöhe von beiden nicht so gross.
Der Preis-Krieg geht auf unbestimmt weiter?
Zuerst einmal ja. Aber es ist genauso gut möglich, dass die beiden Streithähne bereits wieder an einem Tisch sitzen und verhandeln.
Profitieren Kunden durch tiefere Nestlé-Preise im Regal?
Die beiden Unternehmen werden einen Kompromiss eingehen. Der Kunde dürfte am Ende ein bisschen von tieferen Preisen profitieren. Ich wiederhole mich, aber Coop könnte heute schon ohne Probleme mit dem Preis runtergehen.
Würde das Coop-Image bei einer ausbleibenden Einigung leiden?
Das ist Kaffeesatzlesen. Tatsache ist: Kein Detailhändler kann auf mächtige und beliebte Marken wie die von Nestlé oder Coca-Cola auf Dauer verzichten. Das sind Umsatz-Renner und Kunden-Bringer.
Wenn die Lager leer sind, dann sind die Kunden die Dummen!
Bleiben die Regale leer, wandern die Kunden zu Spar, Lidl oder Aldi ab, wo sie die Marken ebenfalls bekommen. Der Konsument bleibt also nicht lange auf dem Trockenen sitzen.
Rennen die Kunden jetzt nicht Migros die Tür ein? Der orange Riese verkauft ebenfalls Nestlé-Produkte.
Das kommt aufs Nestlé-Sortiment der Migros an. Die Kunden rennen jetzt sicher nicht zu Migros, weil sie dort bessere Eigenmarken finden. Sie wollen die Originale.
Warum hält sich die Migros mit Auslistungen zurück?
Die Migros hat eine andere Strategie als Coop. Der Anteil von Markenprodukten ist gering, jener der Eigenmarken sehr hoch. Die Migros ist weniger abhängig von Marken-Herstellern.
Der Dutti-Konzern hätte doch auch sehr viel Marktmacht.
Die Migros will Kunden offenbar nicht wegen fehlender Produkte vergraulen. Der Kunde will Sortimentsruhe, das heisst, keine Lücken oder Ersatzprodukte im Regal, dort wo das gewohnte Produkte üblicherweise steht.
Ach kommen Sie, der Kunde ist heutzutage flexibel!
Wo denken Sie hin. Was tun Sie, wenn Sie Ihre Marke nicht finden? Sie laufen zur Verkäuferin. Sagt diese: Sorry, aber Ihr Produkt gibts nicht mehr, dann sind Sie der Erste der Flucht. Und in einen anderen Laden geht.
Wer hält länger durch: Coop oder Nestlé?
Wer weiss. Schauen Sie auf die Regale. Wenn die Nestlé-Produkte wieder am gewohnten Platz stehen, dann ist der Streit beigelegt.