Euro nimmt Kurs auf 1.10 Franken
Wann greift Jordan ein?

Trotz des Euro-Absturzes hat die Nationalbank noch nicht am Devisenmarkt eingegriffen, um den Franken zu schwächen. Das könnte sich bald ändern.
Publiziert: 06.09.2018 um 12:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 22:46 Uhr
Noch hat SNB-Chef Thomas Jordan nicht am Devisenmarkt interveniert, um den Franken zu schwächen. Doch die Zeit drängt.
Foto: Keystone / GAETAN BALLY
Sven Zaugg

Geht das Vertrauen in die Eurozone flöten, spielt er wieder die Hauptrolle: der Schweizer Franken. Im Zuge des Zerfalls der türkischen Währung Lira und der nicht ganz unbegründeten Angst vor einem Flächenbrand in Europa ist die Schweizer Währung gegenüber dem Euro auf den höchsten Stand seit Mitte 2017 geklettert. Derzeit notiert die Gemeinschaftswährung bei 1.12 Franken – und könnte schon bald unter 1.10 fallen.

Damit zeigt der Franken abermals seine klassische Stärke als sicherer Hafen für Anleger weltweit. «Handelskriege und Knatsch um die Finanzen in Europa treiben die Investoren in vermeintlich sichereres Fahrwasser – den Franken», sagt Christian Gattiker, Leiter Research von Julius Bär. Und solange das wirtschaftspolitische Chaos in Italien noch nicht vom Tisch ist, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich der Euro zum Franken noch weiter abschwächen wird. 

Türkischer Dämpfer für die Eurozone

«Die italienische Regierung muss ihre teuren Wahlversprechen wie Mindesteinkommen und Steuersenkungen erfüllen», sagt der Anlage-Chef der St. Galler Kantonalbank Thomas Stucki. Doch das gehe nicht ohne Schulden des Staats. «Ein Streit mit den anderen Euroländern ist damit programmiert, was die Anleger am Wert des Euro zweifeln lässt.»

Gleichzeitig haben die Investoren Angst, dass italienische und spanische Banken in der Türkei grosse Verluste erleiden. Allen voran die spanische BBVA und die italienische Unicredit. Insgesamt summiert sich das Türkei-Engagement europäischer Banken laut ABN Amro auf 143 Milliarden Euro. Zu wenig für einen europäische Kollaps, aber genug, um die Investoren zu verunsichern und die Eurozone ordentlich durchzuschütteln.

Wann greift die SNB ein?

Bleibt die Frage: Muss die Schweizerische Nationalbank (SNB) schon wieder am Devisenmarkt intervenieren, um den Franken zu schwächen? Ungewissheit herrscht. «Im Moment muss sie noch nicht mit Euro-Käufen eingreifen», glaubt Stucki. Doch das könnte sich schnell ändern, wenn die «Fantasie für einen starken Franken steigt». SNB-Präsident Thomas Jordan selbst hält sich bedeckt.

Der Anlage-Chef der St. Galler Kantonalbank glaubt, dass die SNB erst bei einem Kurs von 1.08 eingreifen wird. Gattiker von Julius Bär erachtet eine Intervention der SNB erst bei einer Franken-Euro-Parität als sinnvoll. Oder wenn auch der Dollar zum Franken abschmiert. «Ich erwarte eher eine Politik der Nadelstiche als eine Breitseite der SNB.» Mit anderen Worten: Bei schnellen Bewegungen am Devisenmarkt könnte die SNB punktuell intervenieren.

Sorge um aufgeblähte SNB-Bilanz

Allerdings: Der Freiraum der Nationalbank für eine aggressive Geldpolitik ist kleiner geworden. Die Aufkäufe von ausländischen Devisen – hauptsächlich Euro – zur Schwächung des Frankens haben die Devisenreserven der Nationalbank explodieren lassen: Aktuell belaufen sie sich auf 800 Milliarden Franken. 

«Es könnte Jahre dauern, um die Bilanz der SNB zu reduzieren – wenn überhaupt», sagte Thomas Moser (51), stellvertretendes Direktionsmitglied der SNB, vergangene Woche. Die Bilanz der SNB ist in den vergangenen Jahren auf 120 Prozent der Wirtschaftsleistung der Schweiz angeschwollen. Keine andere Zentralbank der Welt hat eine so grosse Bilanz im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt.

Geldpolitik auf Messers Schneide

Theoretisch gibt es für die Höhe der Devisenreserven zwar keine Grenze. «Ob die Devisenreserven 800 oder 900 Milliarden betragen, spielt keine grosse Rolle», sagt Stucki. Andere Finanz-Experten sehen jedoch die Gefahr, dass das Vertrauen in die SNB-Geldpolitik Schaden nehmen könnte, sollte es zu starken Schwankungen bei den Gewinnen der SNB kommen.

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