Es wird so gross wie 110 Fussballplätze
Gemüsebauern planen Monster-Treibhaus im Berner Seeland

Im Berner Seeland soll auf einer Fläche von 80 Hektaren das grösste Treibhaus der Schweiz entstehen. Gemeinden buhlen um das Projekt – Naturschutzvereine kündigen Gegenwehr an.
Publiziert: 07.10.2017 um 18:29 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 11:09 Uhr
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Kurt Stucki, Gemeindepräsident von Ins, vor einem der grossen Felder, auf dem das Treibhaus gebaut werden könnte.
Foto: Peter Mosimann
Flavio Razzino

Man kennt sie höchstens aus Ferien in Südspanien: Gigantische Gewächshausplantagen, die sich über zig Hektaren ausdehnen, Glasdach an Glasdach. Die Treibhäuser machen die industrielle Produktion von Gemüse, Beeren, Obst und Salaten unabhängig vom Wetter.

Das Gewächshaus der Schweiz

Müntschemier BE – Das ­Grosse Moos ist ein Nieder­moorgebiet, entstanden durch Überflutungen. Es gehört zum Seeland. Heute ist es die ­Gemüsekammer der Schweiz, ­eines der fruchtbarsten Gebiete.

Bis vor 150 Jahren war es eine Sumpflandschaft, in der ­Menschen an Malaria erkrankten. Vor 150 Jahren wurde der Wasserstand um 2,5 Meter ­abgesenkt und die Aare durch den neu erstellten Hagneck­kanal in den Bielersee geleitet.

Doch auch danach kam es ­teilweise noch zu verheerenden Überschwemmungen. Dies ­wurde mit der zweiten Juragewässerkorrektion (1962) behoben, worauf die Seespiegel um einen Meter absanken | Lea Gnos

Müntschemier BE – Das ­Grosse Moos ist ein Nieder­moorgebiet, entstanden durch Überflutungen. Es gehört zum Seeland. Heute ist es die ­Gemüsekammer der Schweiz, ­eines der fruchtbarsten Gebiete.

Bis vor 150 Jahren war es eine Sumpflandschaft, in der ­Menschen an Malaria erkrankten. Vor 150 Jahren wurde der Wasserstand um 2,5 Meter ­abgesenkt und die Aare durch den neu erstellten Hagneck­kanal in den Bielersee geleitet.

Doch auch danach kam es ­teilweise noch zu verheerenden Überschwemmungen. Dies ­wurde mit der zweiten Juragewässerkorrektion (1962) behoben, worauf die Seespiegel um einen Meter absanken | Lea Gnos

Bald schon sollen solche Treibhausplantagen auch in der Schweiz zu sehen sein. 86 Gemüsebauern aus dem Berner Seeland planen ein Monster-Treibhaus mit einer Fläche so gross wie 110 Fussballfelder. Sie haben sich zur Genossenschaft Gemüseerzeuger Seeland zusammengeschlossen. Zwei Standorte stehen zur Debatte: Zwischen Ins und Müntschemier im Kanton Bern und bei Sugiez im Kanton Freiburg.

«Es geht um Arbeitsplätze»

Glühender Verfechter des riesigen Treibhauses ist Kurt Stucki, Gemeindepräsident von Ins. «Wenn die Schweizer Gemüsebauern es mit der ausländischen Konkurrenz aufnehmen wollen, müssen wir solche Anlagen möglich machen, um günstig produzieren zu können», sagt er zu BLICK. In Ins gebe es Platz dafür. «Wir kämpfen darum, dass die Gemüsebauern ihr Treibhaus hier bauen können. Es geht schliesslich um Arbeitsplätze und um die Existenz der Bauern», sagt der SVP-Politiker. 

Dass ein bis zum Horizont reichender Glasbau nicht nur auf Freunde trifft, weiss Stucki. Alarmiert ist die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz. «Eine industrielle Gemüseproduktion gehört in die Industriezone und bestimmt nicht auf wertvolle Fruchtfolgeflächen», sagt Raimund Rodewald, Geschäftsleiter der Stiftung. Ein solcher Glaskoloss hätte schlimme Folgen für die Natur.

Zudem ist das Seeland eine der grössten offenen Landschaften der Schweiz – mit historischer Bedeutung (siehe Box). Ein solches Treibhaus würde die Gegend nachhaltig verändern. «Das wollen wir nicht!», sagt Rodewald.

Moana Werschler, Sprecherin der Genossenschaft «Gemüseerzeuger Seeland».
Foto: zVg

Auch Pro Natura ist kritisch. «Nur wenn das Projekt im Gegenzug dazu führt, dass die heute überall verteilten kleineren Gewächshäuser zurückgebaut werden, wäre es aus Naturschutzgründen vielversprechend», sagt deren Sprecher Roland Schuler.

Weniger Pestizide nötig

Stucki kennt diese Einwände. «Aber man muss sich bewusst sein, nur mit solchen Projekten können wir die vom Schweizer Volk gewünschte Ernährungssicherheit tatsächlich sicherstellen. Da hat der Landschaftsschutz die geringere Priorität.»

Moana Werschler, Sprecherin der Genossenschaft Gemüseerzeuger Seeland, sieht auch aus ökologischer Sicht Vorteile. «In einem Gewächshaus sind weniger Wasser, weniger Dünger und kaum Pestizide nötig», sagt sie.

Nur: Gerade im Seeland könnte eine so grosse Anlage Wildtierkorridore von nationaler Bedeutung tangieren. «Wir werden die Standortwahl darum sehr kritisch beobachten», sagt Roland Schuler von Pro Natura. Die Gemüsebauern im Berner Seeland müssen für ihr Monster-Treibhaus also noch hohe Hürden überwinden.

Auch die Migros beisst sich die Zähne aus

Anders als in der EU gibt es in der Schweiz ­keine riesigen Treibhausplantagen. Die ­gesetzlichen Hürden sind nicht ­zuletzt wegen des neuen Raumplanungs­gesetzes sehr hoch.

So kämpft die Migros ­bereits seit drei Jahren um die Bewilligung für ein 40-Hektar-Treibhaus im Unterwallis, das mit der ­Abwärme einer Kehrichtverbrennungsanlage ­geheizt werden soll.

Während Kanton und ­Gemeinden das Projekt befür­worten, bremst das Bundesamt für Raum­entwicklung.

Fruchtfolgeflächen

Knackpunkt: In der Schweiz sind unver­baute Fruchtfolgeflächen geschützt und dürfen nicht überbaut werden – das Wallis hat nur kleine Reserven, eine Auszonung von Fruchtfolge­flächen ist schwierig.

Ein Ärger für die Migros: «Man kann nicht gegen Importe wettern und gleichzeitig die Schweizer ­Produktion verhindern. Irgendwo muss unser ­Gemüse wachsen», sagt Andrea Broggini, Präsident des Migros-Genossenschaftsbundes.

Treibhausplantage im spanischen Almeira: Jetzt soll im Berner Seeland ein Gewächshaus gebaut werden, dass so gross ist wie 110 Fussballfelder.
Bloomberg

Anders als in der EU gibt es in der Schweiz ­keine riesigen Treibhausplantagen. Die ­gesetzlichen Hürden sind nicht ­zuletzt wegen des neuen Raumplanungs­gesetzes sehr hoch.

So kämpft die Migros ­bereits seit drei Jahren um die Bewilligung für ein 40-Hektar-Treibhaus im Unterwallis, das mit der ­Abwärme einer Kehrichtverbrennungsanlage ­geheizt werden soll.

Während Kanton und ­Gemeinden das Projekt befür­worten, bremst das Bundesamt für Raum­entwicklung.

Fruchtfolgeflächen

Knackpunkt: In der Schweiz sind unver­baute Fruchtfolgeflächen geschützt und dürfen nicht überbaut werden – das Wallis hat nur kleine Reserven, eine Auszonung von Fruchtfolge­flächen ist schwierig.

Ein Ärger für die Migros: «Man kann nicht gegen Importe wettern und gleichzeitig die Schweizer ­Produktion verhindern. Irgendwo muss unser ­Gemüse wachsen», sagt Andrea Broggini, Präsident des Migros-Genossenschaftsbundes.

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