Es gibt diese Aufnahmen in alten Fotoalben: Schweizer Kapitäne auf Hochseefrachtern unter Schweizer Flagge – helvetische Seebären also, die furchtlos die Ozeane durchqueren, als wäre unser Alpenland eine grosse Seefahrernation. Dieses Stück Schweizer Seefahrergeschichte hat nun aber Schlagseite. Weil auf hoher See Überkapazitäten herrschen und die Frachtpreise im Keller sind, stehen Reedereien vor der Pleite. Der Bund musste 13 Schiffe, für die er bürgte, unter Wert verkaufen. Darum muss der Ständerat heute über einen Nachtragskredit von 215 Millionen Franken befinden. Im Parlament regt sich Widerstand gegen die Millionensubventionen. Bisher betreiben die Schweizer Reeder auf den Weltmeeren 50 Schiffe. Doch ohne Geld vom Staat droht das Aus für die Schweizer Hochseeflotte.
Begonnen hatte alles im Ersten Weltkrieg. Da alle Landwege blockiert waren, drohte die neutrale Schweiz ausgehungert zu werden. Sie charterte für teures Geld Frachtraum auf US-Dampfern und versuchte, dringend benötigte Lebensmittel aus Übersee ins Land zu schippern. Doch kaum war der Vertrag unterschrieben, traten die USA in den Krieg ein und wurden von deutschen U-Booten ins Visier genommen. In der Not beschloss der Bundesrat, eine Seetransportunion zu gründen, und charterte 28 belgische Hochseefrachter. Ein zweites Mal wurden die Schweizer Seefahrerpläne von der Weltpolitik ausgebremst: Bevor die Frachter unter dem Schweizer Hoheitszeichen in See stechen konnten, war der Krieg vorbei.
Alle Häfen gesperrt
Im Zweiten Weltkrieg wiederholte sich das Malaise. Als die Deutschen den Rhein sperrten, fiel ein Drittel des Aussenhandels weg, es drohte wieder eine Versorgungskrise. Im Herbst 1939 charterte die Schweiz 15 Schiffe einer griechischen Reederei und verliess sich auf Garantien der Alliierten – und wieder kam es anders. Als 1940 Italien an der Seite von Nazideutschland in den Krieg eintrat, waren italienische Häfen für die Schweiz tabu. In Gibraltar sperrte das kriegführende England die Meeresenge, dies galt auch für die von der Schweiz gecharterten Schiffe.
«Calanda» und «Maloja» auf hoher See
Im Frühling 1941 holte der Bundesrat zum grossen Wurf aus und machte die Schweiz per Kriegsnotrecht zur Seefahrernation. Er beschloss, eigene Schiffe unter neutraler Schweizer Flagge zu kaufen. Als erster wurde der ehemals panamaische Frachter «Calanda» am 19. April 1941 im Heimathafen Basel feierlich unter das Schweizer Kreuz gestellt. Nur fünf Tage später folgte die «Maloja». Mit diesem Schiff erfuhren die Schweizer auch die Tücken der Kriegsschifffahrt: Der Frachter wurde am 7. September 1943 von britischen Fliegern bei Korsika versenkt, obwohl er als neutrales Schiff gekennzeichnet war. Drei Seeleute kamen ums Leben.
Ein ähnliches Schicksal erlebte die «Albula». Beim Rückzug aus Marseille versenkte die deutsche Wehrmacht am 21. August 1944 das Schiff, nachdem sie die Besatzung gezwungen hatte, an Land zu gehen. Das Boot wurde 1945 gehoben und wieder seetüchtig gemacht.
Schiffe durch Bürgschaften ersetzt
Die Schweizer Namen für Schweizer Frachter waren Programm: So wurde etwa der in Panama registrierte Dampfer «Armando» im Mai 1941 auf «Gotthard» umbenannt, als er vom Kriegstransportamt (KTA) als drittes Schweizer Hochseeschiff registriert wurde. Und nach dem Krieg, als das erste neu gebaute Schiff der Schweizer Flotte vom Stapel lief, wurde es auf «General Guisan» getauft.
1953 kam es zur Zäsur: Die Eidgenossenschaft verkaufte ihre damals vier Schiffe umfassende Flotte an Reedereien und private Schweizer Eigentümer, bürgte aber weiterhin für allfällige Verluste. Im Gegenzug behielt der Bund ein Zugriffsrecht in Notsituationen. Nun will das Parlament auch diesen alten Zopf aus Zeiten des Weltkriegs abschneiden.