BLICK: Europa schäumt wegen der gezogenen Ventilklausel. Hat das Konsequenzen?
Peter Hegglin: Ist das wirklich so? Ich sehe grosse Unterschiede zwischen der europäischen Politik und ihrer Bevölkerung. In den ausländischen Medien sind die Reaktionen aus der Leserschaft positiv.
Hätten Sie die Ventilklausel gezogen?
Wir haben Verträge mit der EU. Da wird der Schweiz erlaubt, unter bestimmten Voraussetzungen die Bremse zu ziehen. Wenn wir etwas vereinbart haben, wieso sollten wir es nicht tun? Die Kantone waren mehrheitlich dagegen, weil es nur eine symbolische Wirkung hat.
Als künftiger Präsident der Finanzdirektoren sehen Sie keine Retorsionen auf uns zukommen?
Ich muss die Wahl erst schaffen. Ich glaube aber tatsächlich nicht, dass die EU uns nun zusätzliche Knebel zwischen die Beine legen wird.
Die EU droht. Ist der Streit nicht Mitte Jahr fertig, kommt die Schweiz auf schwarze Listen.
Wir sind nicht in der EU. Sie hat uns weder Fristen zu setzen noch zu drohen. Was die EU macht, ist schlechter Stil. Die Konsenssuche braucht Zeit und kann nicht willkürlich beschleunigt werden.
Geht denn überhaupt etwas?
Ja, klar. Auch wir Finanzdirektoren wissen, dass unser Steuerrecht nicht mehr in allen Teilen dem internationalen Rechtsverständnis entspricht.
Das heisst?
Die steuerliche Unterscheidung, ob ein Gewinn im Ausland oder im Inland realisiert wird, kommt international unter Druck. Da müssen und werden wir handeln. Wir erarbeiten zusammen mit dem Bund Ersatzlösungen.
Wohin geht die Reise?
Klar ist, dass die Kantone ihre Steuer- und Tarifhoheit bewahren können. Wir werden das neue Modell so gestalten, dass unser Standort nach wie vor international attraktiv ist. Es werden auch Ersatzregelungen geprüft, die in anderen Staaten – zum Beispiel der EU – bereits angewendet werden. Dann kann man uns nicht mehr angreifen.
Und was, wenn die EU Nein sagt?
Wir werden nicht unsere Steuerregelungen anpassen, ohne Gegenforderungen zu stellen. Es darf keine einzelstaatlichen Gegenmassnahmen mehr geben.
Zu reden gibt Bayern-Präsident Uli Hoeness. Was war Ihre Reaktion?
Ich dachte, es ist schade, dass das Abgeltungssteuerabkommen mit Deutschland nicht zustande kam. Damit hätte Herr Hoeness seine Steuern für Deutschland entrichtet. Deutschland wäre so schnell zu seinem Steuergeld gekommen.
Aber überrascht sind Sie nicht?
Nein, der Fall hat mich nicht überrascht. Es ist bekannt, dass in Nachbarstaaten sehr viele Personen versuchen, aufgrund der sehr hohen allgemeinen Besteuerung Steuern zu sparen. Sie versuchen das nicht nur in der Schweiz, sondern auch über Trusts und an anderen Standorten auf der Welt.
Die Schweiz ist unschuldig? Wollen Sie das sagen?
Es ist das Problem dieser Staaten. Deren Einwohner fühlen sich ausgenützt und überwacht. Dazu kommt allenfalls ein allgemeines, grosses Misstrauen gegenüber dem Staat. Handlungsbedarf besteht dort.
Haben Sie denn wirklich das Gefühl, das Bankgeheimnis sei noch zu halten? Der automatische Informationsaustausch kommt.
Das bezweifle ich. Vielleicht erlebt die Abgeltungssteuer eine Renaissance. Das schliesse ich nicht aus. Und zwar dann, wenn die Diskussion darüber richtig lanciert wird, wie der automatische Steuerausgleich definiert und vollzogen werden soll.
Sie wollen die SVP-Initiative unterstützen, die das Bankgeheimnis in der Verfassung verankern will?
Lieber als diese Initiative wäre mir, wenn der Bund die Steuerstrafrechtsrefom zur Vernehmlassung vorlegt und damit eine vollständige Auslegeordnung erstellt werden kann. Es ist an der Zeit, dass die Privatsphäre des Bürgers in Bezug auf das Bankgeheimnis im Bereich der Tatbestände Steuerhinterziehung und Steuerbetrug, der Kompetenzen der Behörden und der Definition der jeweiligen Sanktionen neu geregelt wird. Alles andere sind nur Bruchstücke einer in die Jahre gekommenen Regelung.