Coop spielt die Heldenrolle
Die Regale bleiben leer

Chronik einer Eskalation: Der Streit zwischen den Schweizer Detailhändlern und dem Multi aus Vevey droht sich auszuweiten.
Publiziert: 24.02.2018 um 23:39 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 16:05 Uhr
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Leere Regale bei Coop, wo Nestlé-Produkte stehen sollten.
Foto: Blick
Moritz Kaufmann

Was für eine Demütigung für den grössten Lebensmittelhersteller der Welt! Als handle es sich um Ausschussware, verramschte Coop in der vergangenen Woche 150 von 8000 Nestlé-Produkten mit 50 Prozent Rabatt. Diese Markenartikel – etwa Buitoni oder Nescafé – wurden seither nicht wieder aufgefüllt. Und das wird vorerst so bleiben. Die deutsche «Lebensmittelzeitung» , die den Konflikt erstmals publik machte, spekuliert sogar, dass Coop noch weitere Nestlé-Artikel auslisten könnte.

Die bodenständige Schweizer Genossenschaft gegen den hyper globalen Kalorienlieferanten – das wirkt wie ein Duell David gegen Goliath. Doch so einfach ist die Sache nicht. Dem Grossverteiler mit Hauptsitz in Basel ist die Aufmerksamkeit unangenehm, Fragen zum Konflikt werden nicht mehr beantwortet. Auch Nestlé sagt nichts zu den Verhandlungen, ist aber demonstrativ zuversichtlich, dass sich bald eine Lösung findet.

Hinter der Eskalation steht denn auch nicht Coop-Chef Joos Sutter (53), sondern Gianluigi Ferrari (50), Chef der in Genf beheimateten Agecore. Agewas? Agecore ist eine Einkaufs­-allianz von sechs europäischen Supermarkt-Konglomeraten, der auch Edeka angehört, Deutschlands grösste Detailhandelskette. Die verschwiegene Organisation hat nicht einmal eine eigene Webseite, dafür eine kombinierte Marktmacht von 160 Milliarden Franken. Ferrari ist seit der Gründung 2015 ihr Chef. Zuvor war er sieben Jahre lang Boss von Coopernic, einer Konkurrenzorganisation, zu der unter anderen die deutsche Rewe-Kette gehört.

Preisfighter aus Genf

Gianluigi Ferrari ist Chef von Agecor. Neben Coop gehören der Genfer Einkaufsallianz auch Edeka (D), Intermarché (F), Colruyt (B), Conad (I) und Eroski (E) an. Zuvor arbeitete Ferrari für eine Konkurrenzorganisation.

Gianluigi Ferrari ist Chef von Agecor. Neben Coop gehören der Genfer Einkaufsallianz auch Edeka (D), Intermarché (F), Colruyt (B), Conad (I) und Eroski (E) an. Zuvor arbeitete Ferrari für eine Konkurrenzorganisation.

Coop-Einkäufer will gleiche Konditionen

In Deutschland gilt daher als ausgemacht, dass der smarte Italiener genau weiss, zu welchen Preisen die Konkurrenz bei Nestlé einkauft – und nun vom Multi aus Vevey VD dieselben Konditionen herauspressen will. Koste es, was es wolle!

Das Besondere an diesem Fall: Normalerweise sind Preisverhandlungen streng geheim. Aus Angst, dass Konkurrenten mithören könnten. Diesmal aber wird der Machtkampf vor den Augen der Konsumenten ausgetragen – die höchste Form der Eskalation. Trotzdem haben sich weder Agecore noch Edeka je öffentlich dazu geäussert. Auch Ferrari reagiert nicht auf Anfragen von SonntagsBlick.

Und hier kommt Coop ins Spiel: Als Anfang Woche erstmals über die Affäre berichtet wurde, war Coop der einzige Akteur, der Auskunft gab.

Traditionell bemühen sich die Schweizer Detailhändler nämlich mehr um Transparenz als die seit Jahrzehnten in einem knallharten Verdrängungskampf stehenden deutschen Supermärkte. Den Medien in der Bundesrepublik blieb daher nichts anderes übrig, als Coop zu zitieren. So entstand der Eindruck, als bilde die Schweizer Firma Coop die Speerspitze des Angriffs auf die Schweizer Firma Nestlé. Quasi ein Duell unter Brüdern.

Experten bezweifeln jedoch, dass dieser Eindruck der Wirklichkeit entspricht. Als Coop im August 2015 der Agecore beitrat, die damals noch Alidis hiess, erhoffte man sich durchaus tiefere Preise.

Mehr Marktmacht

Doch der Vorteil von Einkaufs­allianzen ist eben, dass man nicht zu Kampfmassnahmen greifen muss, sondern in Verhandlungen mit einer grösseren Einkaufsmacht punkten kann.

Zwar weiss auch Coop mit dem Vorschlaghammer umzugehen: So wurden 2015 deutsche Heftli und Nivea-Produkte ausgelistet, zuletzt auch Nestlé-Katzenfutter. Nach kurzer Zeit waren die Produkte aber wieder in den Regalen.

So kämpfen Schweizer Detailhändler

Kampfmassnahmen haben sich in der Schweiz nach dem Frankenschock 2015 etabliert. Meist setzen die Detailhändler auf Parallelimporte.

2015: Listete Coop deutsche Magazine aus, weil der Preisunterschied zu gross war.

2017: Importierte die Migros-Tochter Migrolino in Polen hergestelltes Coca-Cola.

2018: Seit Anfang Jahr streitet Coop mit Nestlé um Katzenfutter der Marke Felix.

Kampfmassnahmen haben sich in der Schweiz nach dem Frankenschock 2015 etabliert. Meist setzen die Detailhändler auf Parallelimporte.

2015: Listete Coop deutsche Magazine aus, weil der Preisunterschied zu gross war.

2017: Importierte die Migros-Tochter Migrolino in Polen hergestelltes Coca-Cola.

2018: Seit Anfang Jahr streitet Coop mit Nestlé um Katzenfutter der Marke Felix.

Hinter den Kulissen konnte man sich immer einigen. Generell ging es bei diesen Aktionen auch eher um die Symbolik.

Diesmal aber versucht Agecore, Nestlé wirklich wehzutun. Eine sehr unschweizerische Art, Prob­leme zu lösen. Ob sich Coop in dieser Rolle wohlfühlt, darf bezweifelt werden. Zurückrudern kann die Genossenschaft aber nicht. Das verbietet die Loyalität zum Bündnis.

Wer sich jetzt bewegt, verliert.

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