Carna-Grischa-Skandal
Darum gibts jetzt nur Witz-Bussen

Carna Grischa muss «abschreckend» bestraft werden, fordert Bauernchef Markus Ritter. Dabei sorgte er mit der Parlaments-Mehrheit für Witz-Bussen.
Publiziert: 27.11.2014 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 19:07 Uhr
Von Christoph Lenz

Mindestens zehn Jahre lang hat Carna Grischa viele seiner Kunden übel getäuscht. Ausländische Ware wurde als inländische deklariert. Tiefkühlware als Frischfleisch verkauft. Pferd statt Rind geliefert. Sogar Verfalldaten sollen getürkt worden sein (BLICK berichtete).

Grosse Summen, fette Margen – das Gewinnpotenzial beim Fleisch-Fälschen ist enorm! Welche Summen der Bündner Fleischgigant Carna Grischa erschwindelt hat, lässt sich noch kaum erahnen.

Klar ist aber, wie hoch die Strafe ist, die den Mauschel-Metzgern jetzt droht. Nämlich maximal 40 000 Franken. So will es das Lebensmittelgesetz. Eine Witz-Busse! Schon beinahe eine Aufforderung, im grossen Stil zu schummeln.

Das finden auch Branchenvertreter und Politiker der bürgerlichen Lebensmittel-Lobby. Sie fordern dieser Tage wortreich schärfere Sanktionen für Übeltäter. BLICK-Recherchen zeigen aber: Viele, die jetzt nach härteren Strafen rufen, haben bisher gegen ein griffiges Lebensmittelgesetz gekämpft.

Vom Bussen-Saulus zum Bussen-Paulus geworden ist zum Beispiel Bauernverbandspräsident Markus Ritter (CVP, TG). Er werde dafür sorgen, dass die Bussen künftig «abschreckende Wirkung» haben, sagte Ritter am Dienstag. Dumm nur: Er selbst ist mitverantwortlich, dass Carna Grischa jetzt nicht richtig an die Kasse kommt. Denn als SP-Politiker 2013 forderten, die Höchststrafe bei Verstössen gegen das Lebensmittelgesetz solle wenigstens auf 80 000 Franken erhöht werden, drückte Ritter im Parlament auf den roten Knopf: Nein.

Die Lebensmittel-Lobby leistete damals ganze Arbeit: Angeführt von Gastrosuisse-Mann Lorenz Hess (BDP), Brauereichef Alois Gmür und Leo Müller (beide CVP), der im Vorstand der Fenaco-Gruppe (u. a. Volg) sitzt, schmetterte eine Mehrheit des Nationalrats höhere Bussen ab. Bauer und Beizenbesitzer Toni Brunner und Vieh-Bauer Erich von Siebenthal (beide SVP) unterstützten gar den Antrag, die Maximalstrafe bei fahrlässiger Verletzung des Lebensmittelgesetzes von 20 000 auf nur 5000 Franken zu senken!

Dass bürgerliche Politiker sich jetzt als Bussen-Hardliner inszenieren, findet Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz, «absolut scheinheilig und heuchlerisch». Es sei ein peinlicher Versuch, von den Problemen in der Branche abzulenken. Stalders Ärger ist verständlich: Der Konsumentenschutz verlangte bei der Revision des Lebensmittelgesetzes eine Verzehnfachung der Höchstbusse auf 400 000 Franken! Vergeblich – obwohl kurz vor der Beratung im Parlament der Pferde-Lasagne-Skandal aufgeflogen war. «Eine Busse muss richtig wehtun. Sonst bewirkt sie nichts», sagt Stalder.

Seinen Meinungsumschwung bei der Bussen-Frage begründet Bauernpräsident Markus Ritter gegenüber BLICK wie folgt: «Im Jahr 2013 war für mich unvorstellbar, dass sich in der Schweiz ein Fall Carna Grischa ereignet. Das hat mich wirklich geschockt. Deshalb habe ich meine Meinung geändert.»

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