Die Schweizer Stifte sind Weltklasse. An den Berufsweltmeisterschaften World Skills im Oktober räumten sie so viele Medaillen ab wie noch nie. Allerdings wurden hauptsächlich junge Männer ausgezeichnet. Von den elf Schweizer Goldmedaillen gingen lediglich drei an Frauen. Daraus könnte man schliessen, Frauen seien weniger gut im Job als Männer. Möglich ist aber auch, dass weibliche Lernende in der Berufsausbildung strenger beurteilt werden.
Diesen Schluss legt eine noch unveröffentlichte Studie der Universität Freiburg nahe, die BLICK exklusiv vorliegt. Die Rede ist von «brisanten Resultaten zur geschlechterspezifischen Talentförderung in der beruflichen Grundbildung».
Das Hauptergebnis: Frauen werden von ihren Ausbildnern bei gleichem Potenzial schlechter beurteilt als Männer – auch bei überdurchschnittlichen intellektuellen Fähigkeiten der jungen Frauen.
Geschlecht der Ausbildner spielt eine Rolle
Bemerkenswert auch: Dieser Befund gilt sogar in Gesundheits- und Sozialberufen, die traditionell in Frauenhand sind. Bei der Ungleichbehandlung in der Berufsausbildung spielt laut Studie eine wichtige Rolle, welches Geschlecht der Ausbildner hat.
Das Forschungsteam der Uni Freiburg untersuchte die Leistungen von 2701 Lernenden über die gesamte Ausbildungszeit hinweg und bezog das Geschlecht der Ausbildner mit ein. Resultat: Männer beurteilen die Leistungen ihrer Schützlinge generell strenger, Frauen hingegen sind generell wohlwollender. Und: Berufsbildner beider Geschlechter bewerteten die Leistung junger Frauen kritischer als jene der jungen Männer.
Stamm spielt Bund den Ball zu
«Wenn es für junge Männer für ihre Leistungsentwicklung vorteilhaft ist, von Frauen beurteilt zu werden, für junge Frauen eine Beurteilung durch Männer hingegen nachteilig zu sein scheint, dann muss dies zu denken geben», schreiben die Studienautoren um Bildungsforscherin Margrit Stamm (67).
Sie sehen den Bund in der Pflicht: Bestehende Massnahmen zur Talentförderung der Stiftinnen und Stifte müssen überarbeitet und geschlechterneutral werden.
Stamm denkt hier als Erstes an die Swiss Skills im kommenden Jahr: «Die Berufsmeisterschaften sind eine ausgezeichnete Plattform zur Förderung der Talente. Wichtig wäre es, auf diesen Anlass hin bestimmte Standards festzulegen. Man müsste zumindest erreichen, dass mehr Frauen, die sich in der Ausbildung besonders hervorgetan haben, an den Swiss-Skills teilnehmen.» Bis nächsten Herbst sei nun Zeit, die Weichen neu zu stellen.